Das Regenwaldkomplott
an sein Konto auf den Bahamas. Auch Beja schien daran zu denken, daß die neue Invasion der Garimpeiros durch seine Tasche ging.
»Es wird etwas geschehen«, sagte Beja zu Bilac. »Verlaß dich drauf. Wenn die Regierung jetzt nicht handelt, setze ich mein Recht ein! Ich habe Sondervollmachten –«
»… die du jetzt anwendest! Bravo, Arlindo. Ich stehe dir mit meinen Polizeitruppen zur Verfügung. Ein Ruf genügt.«
Beja kehrte in seine Dienststelle zurück. Schon als er zu Thomas Binders Begräbnis nach Santo Antônio geflogen war, hatte er daran gedacht, daß Luisa jetzt frei war. Sie würde einen starken Mann an ihrer Seite brauchen. Es würde eine Zeit dauern, aber er hatte Geduld, und auch die tiefste Trauer würde einmal dem Lebenswillen weichen.
Die Maßnahmen der FUNAI werden auch sie treffen, dachte er. Sie ist ein Teil der Mission von Santo Antônio. Ich werde nie ihre Sympathie und später vielleicht ihre Liebe gewinnen, wenn ich sie mit in den Strudel zerre.
Was kann ich tun? Alles, was ich anordne, kann sie falsch auffassen. Aber was ich tun muß, läßt sich nicht mehr abwenden.
Es ist nur eines möglich: eine anonyme Warnung.
Beja kam in einen Gewissenskonflikt, aus dem er im Augenblick keinen Ausweg sah. Er hatte dreimal versucht, Luisa telefonisch zu erreichen, aber entweder war Schwester Margarida am Apparat oder Pater Ernesto, und immer hieß es, daß Senhora Herrmann keine Gespräche annehme. Nach dem Tod von Dr. Binder hätte sie dringend Erholung nötig.
Das war aber nur eine halbe Wahrheit, von der Beja nichts wußte.
Luise hatte ihre Arbeit wiederaufgenommen, aber sie war noch nicht fähig, wieder in den Wald zu ziehen und nach unbekannten Pflanzen zu forschen. Noch saß sie stundenlang im Labor, zwischen ihren gläsernen Kolben und Schlangen, Kochern und Mikroskopen, und suchte nach einer Antwort auf die Frage: Warum haben sie Tom erschossen? Wer hatte ein Interesse daran, ihn verstummen zu lassen? Wer war der Täter? Wem war er im Wege gewesen? War unter den Trauergästen der Mörder gewesen, oder der Auftraggeber, der den Killer bezahlt hatte?
Sie fand keine Erklärung. Wie hätte sie sich auch vorstellen können, daß Tom Opfer einer Verwechslung geworden war! Das war so absurd, daß nicht einmal Pater Vincence und Pater Ernesto, die sich auch mit der Frage beschäftigten, an eine solche Ironie des Schicksals glauben wollten.
An Material für ihre Forschungen fehlte es Luise nicht. Das war ein anderes Geheimnis, von dem nur die Patres etwas wußten. Jede Nacht landete lautlos ein Kanu der Yanomami am Ufer des Rio Parima und brachte neue Pflanzen mit, die von den Indianern im Regenwald gesammelt worden waren. Pflanzen, die nur die Yanomami kannten. Darunter war auch die geheimnisvolle Wurzel, die zu finden Luise und Thomas losgezogen waren.
Zweimal brachten die Yanomami in Flechtkörben auch Tiere mit: Braunrückentamarine, Wickelbären, Auerstachler, Kaiserschnauzbart-Tamarine und Pekaris, die man auch Nabelschweine nennt. An ihnen konnte Luise die Wirkung der verschiedenen Pflanzensäfte testen. Luigi baute aus Holz große geräumige Käfige, deren Vorderfront aus dickem Maschendraht bestand. Die Käfige standen im Schatten der Hauswand, und Luigi und Schwester Lucia sorgten liebevoll für die Tiere.
»Sie hat's gepackt!« meinte Pater Ernesto, als er und Pater Vincence nach einem Gebet zusammensaßen. »Ihr Lebenswille ist wieder da. Eines Tages wird sie auch wieder lachen, und vielleicht begegnet ihr eines Tages ein Mann, der –«
»Nein.« Vincence unterbrach Ernesto mit einem Kopfschütteln. »Solange sie das Grab sieht, wird es nie mehr einen Mann geben.«
»Sie wird nicht für immer hierbleiben. Sie hat einen Vertrag für zwei Jahre, dann geht sie nach Deutschland zurück.«
»Glaubst du das, Ernesto? Ihre Welt ist so groß wie das Grab geworden, alles andere drum herum ist wie ein Ausflug, von dem man zurückkehrt nach zu Hause. Und dieses Zuhause ist das Grab. Ich habe nie geglaubt, daß es solch eine Liebe gibt.«
Nach langem Zögern hatte sich Beja durchgerungen, noch einmal in Santo Antônio anzurufen. Pater Vincence war am Apparat und ahnte sofort Unangenehmes, als er Bejas Stimme hörte.
»Ich darf es zwar nicht sagen«, teilte Beja mit, »aber wir kennen uns lange genug. Ich liebe die Missionsstation, ich war seit Gründung mit ihr verbunden. Es ist in den über zwei Jahrzehnten viel geleistet worden, es wurde nicht nur gepredigt, sondern tätiges
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