Das Regenwaldkomplott
Christentum praktiziert.«
»Was ist los, Senhor Beja?« fragte Vincence mißtrauisch. »Sie rufen doch nicht an, um eine Laudatio auf uns zu halten.«
»Die letzten Vorfälle und vor allem ihr Brief an die FUNAI und an das Innenministerium zwingen mich, im Interesse des Friedens und der öffentlichen Sicherheit die Mission Santo Antônio –«
»… dem Boden gleichzumachen wie unser Yanomami-Dorf«, beendete Vincence von sich aus den Satz.
Beja hüstelte verlegen. »So würde ich das nicht nennen, Pater. Aus Sicherheitsgründen muß ich die Mission auf unbestimmte Zeit schließen. Sie bleibt erhalten, und sie wird gepflegt, bis sich die Situation geändert hat und Sie zurückkehren können. Die Yanomami bereiten einen Guerillakrieg vor. Der Angriff auf die Goldsucher –«
»Sie drehen die Wahrheit herum, Senhor Beja«, unterbrach ihn Vincence erregt. »Nicht die Indianer griffen an, sondern die Goldsucher überfielen sie und töteten vier Yanomami. Als sie sich wehrten und ein Garimpeiro dabei umkam, machte die Presse daraus ein Massaker und die Indianer zu Bestien! Ich wiederhole die Frage aus meinem Brief: Warum unternimmt die FUNAI nichts gegen die Invasion der Goldsucher im geschützten Yanomami-Gebiet? Warum sieht sie nicht die illegalen Landepisten im Regenwald, warum ist sie blind gegenüber den Rodungen und den Waldbränden? Tausende Brandherde kann man nicht übersehen. Das ist meine Frage.«
»Meine Antwort werden Sie bekommen, Pater«, erwiderte Beja kühl. »Richten Sie sich darauf ein, daß Sie mit ihren Leuten am 24. August nach Boa Vista umziehen. Es ist in unser aller Interesse, daß es dabei keine Schwierigkeiten gibt.«
Das Gespräch war damit beendet. Pater Vincence griff nach dem Glockenseil und läutete eigenhändig Sturm. Als erster stürzte Pater Ernesto herein, gefolgt von einem der Handwerker.
»Was ist denn los?« rief er. »Ein Brand? Ich sehe nirgendwo Feuer!«
Vincence zog noch viermal am Seil und ließ die Glocke dann ausschwingen.
»Ein Brand ist zu beherrschen, was ich euch zu sagen habe, aber nicht.«
Er wartete, bis alle im Raum waren, und faltete dann die Hände vor der Brust.
»Ich habe soeben einen Anruf aus Boa Vista bekommen«, sagte er fast feierlich. »Die Mission Santo Antônio, unsere Heimat und die der Yanomami, gibt es nicht mehr. Genauer gesagt: Am 24. August wird sie geschlossen, und wir werden weggebracht nach Boa Vista – vielleicht, so genau weiß man das nicht. Die FUNAI will keine Zeugen haben für das, was hier in Zukunft geschieht. Wir sind zu unbequem geworden.«
»Das ist unmöglich!« brüllte Pater Ernesto auf. »Das können sie nicht, sie können die Mission nicht zerstören!«
»Wer will sie daran hindern, Bruder? Sie können alles, sie sind die Stärkeren.«
»Das ist die Rache meines Vaters«, flüsterte Sofia und sah Minho traurig an. »Ja, das ist seine Rache. Genau das paßt zu ihm. Er läßt die ganze Mission schließen, um mich zurückzuholen!«
»Sofia und ich haben viel darüber gesprochen, was wir tun, wenn Paulo Lobos uns mit Gewalt auseinander reißen will.« Marco Minho legte seinen Arm um Sofias Schultern. »Wir haben beschlossen, in den Regenwald zu gehen, zu den Yanomami, mit ihnen zu leben, frei zu sein von einer Welt, die nur Gewalt und Profit kennt, Verachtung und Vernichtung. Wir gehen zu den Yanomami.«
Pater Ernesto zog den Kopf in die Schultern. Sein mächtiger Körper schien zu schrumpfen. Er holte mehrmals tief Atem, ehe er sprechen konnte.
»Bruder Vincence«, erklärte er dann mit fester Stimme, »ich habe Santo Antônio aufgebaut, ich habe den Auftrag des Herrn immer ernst genommen. Ich habe die Menschen geliebt, die Verfolgten und auch die Verfolger, denn auch sie sind Kinder Gottes. Den Ratsuchenden habe ich geholfen und den Bittenden beigestanden. Mein Leben – das hat der Herr bestimmt – gehört den Unterdrückten und Verzweifelten.« Seine Stimme wurde noch lauter und dröhnte durch den großen Raum. »Ich bleibe auch hier! Ich ziehe auch in den Wald. Ich werde mit den Yanomami wandern und ihnen helfen, mit ihrer und mit Gottes Kraft zu überleben.« Er wandte den Kopf zu Minho. »Sofia, Marco, ich komme mit euch.« Und dann brach der alte Sarkastiker in Ernesto durch: »Wenigstens einer von uns sollte die Yanomami-Sprache verstehen.«
Pater Vincence sah Ernesto schweigend an. Luise unterbrach die quälende Stille.
»Was wird aus dem Hospital? Aus der Einrichtung, den Instrumenten? Was wird aus
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