Das Reich der Dunkelelfen - Weltennebel
Am Ende wandte er sich mit einem Knurren ab, setzte sich an den Rand der Gefängniszelle und schloss demonstrativ die Augen. Manchmal war es wirklich nicht leicht mit Mia, und in gewissen Situationen war sie so stur und uneinsichtig, dass er beim besten Willen nicht an sie herankam. Trotz allem fiel Darian immer wieder in einen leichten Schlummer. Zwar ließ ihn jedes noch so leise Geräusch zusammenzucken, aber Müdigkeit und die Erschöpfung forderten ihren Tribut.
»… wir alle schweben in höchster Gefahr.«
»Das ist mir durchaus bewusst.«
»Willst du wirklich unser aller Leben riskieren, nur um deiner Mutter willen, die schon seit Hunderten von Sommern nicht mehr lebt?«
Leise Worte drangen an Darians Ohr, und zunächst dachte er, er habe geträumt. Aber als er die Augen einen Spaltbreit öffnete, sah er wie Atorian und Mia sich am anderen Ende der Höhle leise unterhielten.
»Ich kann dich verstehen. Was dir und deiner Mutter angetan wurde, ist entsetzlich, aber es nützt ihr auch nichts, wenn wir alle hier unten sterben. Denk doch an …« Atorians Kopf wandte sich zu Bas’Akir, der mit abwesendem Blick an der Wand lehnte. »Na ja, du weißt schon, wen. Zumindest ihr zuliebe sollten wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, um hier lebend wieder herauszukommen.«
Darian zog die Stirn kraus, als er mitbekam, wie Atorian seine Hand auf Mias Schulter legte, und sie dies auch noch geschehen ließ. Es wunderte ihn, dass sie Atorian nicht gleich fauchend anfuhr und sie ihm offenbar schon seit einiger Zeit zuhörte. Erstaunlicherweise wirkte auch sein Bruder zum ersten Mal seit langem ruhig und besonnen, und offenbar hatte er die richtigen Worte gewählt, denn Mia seufzte laut, fuhr sich über das Gesicht und lächelte Atorian im fahlen Licht an. »Wenn es um meinen Vater geht, reagiere ich sehr empfindlich«, gab sie zu. »Manchmal bin ich dann wie Murk, dem man das beste Stück Fleisch wegnimmt.«
»Mit Murk würde ich dich eher nicht vergleichen.« Darian spannte sich an, denn er sah, wie Atorians Hand sich Mias Wange näherte, und er vorsichtig darüberstrich. Allerdings sprang sie da auch schon ruckartig auf und kam in seine Richtung. Er schloss die Augen wieder und stellte sich schlafend.
»Darian«, flüsterte sie, setzte sich neben ihn, und er öffnete langsam die Augen. »Es tut mir leid, dass ich dich vorhin so angefahren habe.«
Geistesabwesend nickte er und betrachtete mit zusammengezogenen Augenbrauen seinen Bruder. Eine Dunkelelfe wird niemals nur einen Mann lieben. Rasch wischte er diesen Gedanken beiseite, denn im Augenblick hatten sie größere Probleme.
Nachdem das fahle Tageslicht der Unterwelt bereits wieder zu verblassen begann, ertönten Schritte vor der Gefängnistür.
»Tretet zurück an die Wand, und wer zu fliehen versucht, wird auf der Stelle getötet.«
Gehorsam wichen die vier Gefährten nach hinten und starrten gespannt auf die Tür. Das wohlbekannte Gesicht Tak’Adons erschien in der Tür, außerdem der ältere Wächter, der sie eingesperrt hatte, und ein hochgewachsener Dunkelelf mit auffallend hellem Teint und dunkelgrauen Haaren. Er trug einen schwarzen Umhang, graue Hosen und hohe schwarze Stiefel, außerdem eine weite, von einem breiten braunen Gürtel gehaltene Tunika. Er drehte sich zu Tak’Adon um und bedeutete ihm mit einer ungeduldigen Handbewegung, zu gehen.
»Ich bin Zir’Avan. Wer behauptet, von meinem Blute zu sein?«, fragte er mit kalter, kräftiger Stimme in der Sprache der Dunkelelfen.
Rasch hielt Darian Mia an der Hand fest, denn er bemerkte, wie sie sich anspannte, und ein rascher Seitenblick auf ihr Gesicht ließ ihn erahnen, dass sie den Mann vor ihnen am liebsten auf der Stelle getötet hätte.
Darian bemühte sich, eine Ähnlichkeit festzustellen, fand jedoch nur bedingt Gemeinsamkeiten. Zir’Avans Gesicht war länglich und sehr schmal, beinahe schon hager. Die hohen Wangenknochen ähnelten denen von Mia, und erst als Darian die mandelförmigen Konturen seiner Augen betrachtete, fand er endlich, wonach er suchte. So sah Mia aus, wenn sie wütend oder angespannt war, außerdem hatte sie die gleiche Augenfarbe wie Zir’Avan.
Nun trat Mia vor, ihr Kinn war trotzig gehoben, ihre Schultern angespannt und ihre Fäuste so fest geballt, dass die Knöchel weiß hervortraten. »Ich bin Aramia, die Tochter der Frau, die du geschändet hast«, presste sie mühsam beherrscht hervor.
Das eben noch so strenge Gesicht des Dunkelelfen zeigte eine Spur von
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