Das Reich der Dunkelelfen - Weltennebel
damals vor über zweihundert Sommern an die Oberfläche gekommen zu sein, um Handel zu treiben.
»Ich bin Alchemist, musst du wissen«, erzählte er, während sein Blick in eine andere Zeit zu reisen schien. »Gold und Silber sind selten hier bei uns. Wir wollten unsere Edelsteine, unsere Gifte und auch unsere Medizin gegen euer Edelmetall tauschen. Meine Freunde und ich waren jedoch erschrocken von der Feindseligkeit, die uns an der Oberfläche entgegenschlug. Wir wurden angegriffen, verjagt und bedroht, und ich muss zugeben, zur Verteidigung unseres eigenen Lebens töteten wir auch einige Menschen.«
»Verteidigung eures Lebens!« Ein bitteres Schnauben entwich Aramia, und sie kniff die Lippen zusammen.
Zir’Avan streckte eine Hand aus, um seine Tochter zu berühren, zog diese dann jedoch rasch zurück und versteckte sie hinter seinem Rücken. »Damals verstand ich das alles noch nicht, aber ich blieb, anders als meine Freunde, noch eine Weile in eurem Land, um den mir unerklärlichen Hass zu begreifen. Sicher, unsere Kulturen unterscheiden sich, und den Streitigkeiten zwischen Elfen und Dunkelelfen liegt eine viele tausend Sommer alte Fehde zugrunde, doch mit den Menschen lagen wir nie im Krieg. Im Gegenteil, damals, als die Götter unsere Welt straften, gewährten wir ihnen Zuflucht, so wie es die Zwerge in ihren Höhlen taten.«
»Wie großmütig.« Aramia warf sich eine lange schwarze Haarsträhne über die Schulter und starrte ihren Vater herausfordernd an.
Leise seufzend fuhr Zir’Avan fort. »Ich reiste durch das Land, lauschte, wo ich nur konnte, und irgendwann fand ich heraus, dass es tatsächlich an der Oberfläche zu Dunkelelfenangriffen gekommen war.« Ein spöttischer Zug erschien auf seinem Gesicht. »Angeblich brachten sie sogar Trolle um – welch eine Schmach!«
»Einer meiner besten Freunde ist ein Halbtroll«, schnappte Aramia, was eine Spur von Widerwillen auf Zir’Avans Gesicht erscheinen ließ. Dann fuhr er jedoch fort.
»Ich zog Erkundigungen ein. Es gab Gerüchte, dass eine sehr zwielichtige Familie unserer Rasse – nämlich die vom Blute der ’Ahbrac –, Söldner um sich scharten, Krieger ohne großes Kampfgeschick, die sie für ihre Intrigen missbrauchten.«
»Sind Dunkelelfen nicht alle ›zwielichtig‹?«
Die bissige Antwort seiner Tochter brachte Zir’Avan offensichtlich zum Schmunzeln. »Für eure Begriffe sind wir das sicher alle mehr oder weniger.« Diesmal fasste er sie tatsächlich an der Schulter, und Aramia versteifte sich. »Ich gebe auch zu, dass ich, wenn es mir einen Vorteil bringt, nicht zögere, die Wahrheit etwas zu verdrehen – aber nicht, wenn es um jemanden meines Blutes geht. Unsere Familienbande sind uns heilig.«
»Nenne mir einen Grund, weshalb ich dir das glauben sollte.«
»Ich glaube zu erahnen, dass es nicht leicht für dich ist. Da ich einige Zeit an der Oberfläche lebte, kann ich vielleicht ansatzweise deine Art zu denken verstehen, aber darf ich fortfahren?«
Als Aramia zögernd und mit gerunzelter Stirn nickte, begann Zir’Avan über die Krieger der ’Ahbrac zu erzählen, welche Dörfer überfallen hatten und vermutlich auch noch heute überfielen, zwielichtigen Handel mit Giften und Rauschmitteln trieben, und Gerüchten zufolge sogar mit Fehenius verbündet gewesen waren.
Sosehr es Aramia auch widerstrebte, Zir’Avan Glauben zu schenken, so deckte sich das, was er ihr erzählte, doch zu weiten Teilen mit dem, was Bas’Akir ihnen gesagt hatte. Die beiden waren niemals miteinander allein gewesen, also konnten sie sich unmöglich abgesprochen haben.
»Ich war auf dem Weg zurück in unser Reich – ich hatte aufgegeben, Handel mit den Oberflächenbewohnern treiben zu wollen –, als ich an einem Fluss nicht weit von den Sümpfen im Osten entfernt auf deine Mutter traf.« Ein vorsichtiges Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Sie war gerade beim Wäschewaschen, und als sie mich sah, fiel sie in den Fluss. Sie hat entsetzlich geschrien, als ich sie aus dem Wasser zog, und mir dann das Gesicht zerkratzt.«
»Das kann ich verstehen!«
»Sie dachte, ich wollte sie umbringen, aber schließlich konnte ich sie, mit den wenigen Worten in eurer Sprache, die ich von meinem Großvater gelernt habe, davon überzeugen, dass ich nichts Böses im Schilde führte.« Seufzend fuhr sich Zir’Avan über die anthrazitfarbenen, metallisch glänzenden Haare. »Ich wusste, dass Ohelia Angst vor mir hatte, dennoch nahm sie mich mit in ihre Hütte und
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