Das Reich der Dunkelelfen - Weltennebel
bis zur Abenddämmerung benötigte sie für die Strecke, dann entdeckte sie die erste Wache am Rannocsee.
»Nassàr, ist Darian bei euch?«, rief sie schon von weitem, und der alte Krieger fuhr hastig und mit gezogenem Schwert herum. Vermutlich hatte er sie noch gar nicht entdeckt, denn ihre Augen waren sehr viel schärfer als die seinen.
»Darian? Nein. Ist er denn nicht bei dir?«, erkundigte er sich erschrocken.
»Er ist nicht bei euch?« Panik und Entsetzen flammten in Aramia empor, und sie wollte auf der Stelle umdrehen, aber der Krieger hielt sie fest.
»Warte, was ist denn los? Tagilis kam zu uns und erzählte, dass ihr noch eine ganze Weile unterwegs wärt, deshalb haben wir uns keine Gedanken gemacht.«
»Darian, o nein!« Tränen rannen über Aramias Wangen, und sie schlug eine Hand vor den Mund. Warum hatten sie die Gänge nicht genauer durchsucht? War er am Ende doch falsch abgebogen?
»Was ist denn mit ihm, verdammt? Und wo sind Prinz Atorian und dieser – Dunkelelf?«
»Atorian ist auf dem Weg hierher, ihm geht es gut«, antwortete sie tränenerstickt, »aber Darian war mit Bas’Akir unterwegs, und der ist tot … Ich muss zurück, ich muss ihn suchen!« Aramia konnte keinen klaren Gedanken fassen, ließ sich aber von Nassàr nicht aufhalten und stürmte wieder davon. Sie machte sich schreckliche Vorwürfe, Darian allein gelassen und die umliegenden Gänge nicht genauer nach ihm abgesucht zu haben. Sie hätte wissen müssen, dass Darian dem Unterreich vollkommen hilflos ausgeliefert sein würde, sollte Bas’Akir etwas zustoßen. Sorge, Angst und Panik trieben sie an, und das Stechen in ihren Lungen ignorierte sie standhaft.
Zur selben Zeit, als Aramia im Lager eingetroffen war, kroch Darian durch einen für Menschen kaum begehbaren Tunnel. Obwohl er unter Platzangst litt und schon wieder daran zweifelte, tatsächlich ins Freie zu gelangen, folgte er seinem Führer. Der Tiefengnom konnte in den niedrigen Gängen bequem laufen, sagte immer wieder »weiter« und »Licht«, und einer seiner Artgenossen schob Darian stets von hinten an, wenn dieser resigniert aufgeben wollte.
Völlig unverhofft spürte Darian dann eine kühle Brise im Gesicht, und er verharrte. Ungläubig roch er frische Waldluft, feuchte Erde und Gras.
»Drrraggrann … weiter«, knurrte der Tiefengnom hinter ihm.
Darian hastete vorwärts und hoffte, dass ihm seine überreizten Nerven keinen Streich spielten. Als er dann tatsächlich durch ein kaum passierbares Loch nach draußen kroch, fing er hysterisch an zu lachen. Mit tränenden Augen blickte Darian in den sich verdunkelnden Abendhimmel, sog die wunderbar klare Luft ein und vergrub unendlich dankbar seine Hände im weichen Moos.
Die Tiefengnome blickten ihn sichtlich verwundert an, und als Darian, während Tränen seine Wangen hinabliefen, die winzigen pelzigen Hände der beiden Tiefengnome in seine nahm, deutete der größere der beiden auf sein Gesicht und brummte verwirrt: »Wasser?«
Darian nickte schluchzend. »Danke! Vielen Dank! Kann ich euch das irgendwie vergelten?«
Ratlos blickten ihn die beiden an, dann wiederholte er in ihrer kehligen, brummenden Sprache: »Danke. Geschenk?«
Die beiden tuschelten miteinander, dann streckte der größere der Gnome seinen ohnehin schon vorgewölbten, pelzigen Bauch heraus und rieb heftig darüber »Fleisch?!« Seine Augen waren noch weiter aufgerissen als sonst, was Darian der Vorfreude zuschrieb, und er zappelte von einem Bein aufs andere, wobei er sich mit der Zunge über die schmalen, dunklen Lippen fuhr. Unwillkürlich musste Darian lachen, dann drückte er die Hand des Tiefengnoms.
»Ich bringe euch das größte, beste und wunderbarste Stück Fleisch, das ich auftreiben kann.« Anschließend sah er den beiden noch einmal ernst ins Gesicht und nickte nachdrücklich. »Fleisch! Groß. Hierher?«
Die beiden brummten zustimmend, musterten ihn noch einmal verwirrt und verschwanden dann wieder in den Tiefen des Tunnels.
Glücklich ließ sich Darian gegen einen Felsen sinken. Die Erleichterung, endlich aus den endlosen, finsteren Gängen heraus und von all dem Gestein befreit zu sein, wieder frische Luft atmen zu können und den Himmel zu sehen, übermannte ihn. Er konnte kaum glauben, wirklich wohlbehalten die Oberfläche erreicht zu haben. Als er an Bas’Akir dachte, durchzuckte ihn allerdings ein schlechtes Gewissen, aber dann flüsterte er in den Wind: »Ich habe es geschafft, mein Freund, und ich danke dir für
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