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Das Reich der Dunkelheit

Das Reich der Dunkelheit

Titel: Das Reich der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Santiago García-Clairac
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bitte ich sie, „ich geh rein.“
    „Pass auf, Arturo!“
    Auch die Hintertür der Stiftung hängt schief im Rahmen. Ich brauche sie nur leicht anzustoßen, und schon fällt sie auf den Boden. Im Innern des Gebäudes kann ich vor lauter Rauch nichts sehen. Nur da, wo Flammen sind, ist etwas zu erkennen. Das Feuer hat verheerende Schäden angerichtet. Die Stiftung mit all dem Holz und dem Papier ist ein gefundenes Fressen für die Flammen. So etwas habe ich noch nie gesehen. Es ist die reinste Hölle.
    Plötzlich höre ich Schreie rechts neben mir:
    „Hilfe! Bitte! Hilfe!“
    Es ist die Stimme von Mahanias Mann.
    „Mohamed, wo bist du?“
    „Hier, Arturo! In der Wohnung!“
    Ich laufe hin, um ihn zu befreien, aber ich kann nichts sehen. Ständig stolpere ich über Schutt, Möbelreste und irgendwelche anderen Dinge.
    „Ich kann mich nicht bewegen“, stöhnt Mohamed. „Ich bin eingeklemmt!“
    „Ganz ruhig! Ich komme!“
    Irgendwie gelange ich in die Hausmeisterwohnung, die in Rauch und Feuer gehüllt ist. Als ich mich an einer Wand abstützen will, stürzt sie mit einem Knirschen ein. Ich stolpere weiter. Endlich sehe ich Mohamed.
    „Hier bin ich“, sage ich. „Wo ist Mahania?“
    „Im Schlafzimmer. Ich wollte ihr helfen, dabei ist ein Balken runtergekommen und hat mein Bein eingeklemmt. Ich kann mich nicht mehr bewegen!“
    „Warte, ich helfe dir …“
    Ich versuche, den Balken anzuheben, aber ich schaffe es nicht. Mohamed kriegt Panik, als er sieht, dass ich ihn nicht rausziehen kann.
    „Bleib ganz ruhig“, sage ich zu ihm. „Gleich hab ich’s …“
    „In meinem Kopf dreht sich alles“, stöhnt er. „Ich kann kaum noch atmen … gleich werd ich ohnmächtig …“
    Ich knie mich mit dem Rücken zu ihm hin, damit er nicht sieht, was als Nächstes passiert.
    „Adragón!“, murmle ich.
    Ich merke, dass der Drache auf meiner Stirn aktiv wird.
    „Beweg dich nicht, Mohamed“, sage ich. „Jetzt wirst du befreit!“
    Ich gebe einen stummen Befehl, und der Drache hebt den Balken an, ganz langsam, zuerst nach oben, dann nach rechts. Mohameds Bein ist frei! Bevor ich mich wieder zu ihm umdrehe, befehle ich meinem Drachen, an seinen Platz zurückzukehren. Dann helfe ich Mohamed auf.
    „Wie hast du das denn geschafft?“, fragt er.
    „Der Balken ist nicht so schwer, wie er aussieht“, antworte ich. „Wichtig ist nur, dass du frei bist.“
    Mit schmerzverzerrtem Gesicht schleppt sich Mohamed zum Schlafzimmer, während ich noch ein paar Sachen zur Seite räume.
    Mahania liegt auf dem Bett. Sie ist von einer weißen Staubschicht bedeckt. Komisch, sie erinnert mich an Königin Émedi auf dem Sarkophag.
    „Sie hat Glück gehabt, dass nichts auf sie heruntergefallen ist“, sagt Mohamed. „Vor Schreck ist sie ohnmächtig geworden. Aber ich glaube, sie hat nichts abgekriegt. Was ist passiert, Arturo? Was war das für eine Explosion?“
    „Hör zu, Mohamed, das ist jetzt nicht so wichtig … Kannst du gehen?“
    „Ja, ich glaube schon. Mein Bein tut weh, aber ich kann es bewegen. Was soll ich machen?“
    „Nimm Mahania und geh mit ihr in den Garten. Da sind Metáfora und Hinkebein. Versuch, so schnell zu gehen, wie du kannst mit deinem Bein … Weißt du, wo mein Vater und Sombra sind?“
    „Unten, zusammen mit Norma …“
    „Wo genau?“
    Er zögert kurz, weiß nicht, ob er antworten soll oder nicht. Schließlich sagt er:
    „Unten, im dritten Keller, beim Sarkophag.“
    „Sind sie nicht rausgelaufen?“
    „Ich glaube nicht. Sie sind vor mehr als einer Stunde hinuntergegangen …“
    „Gut. Und jetzt beeil dich, bevor alles einstürzt. Ich werd mal unten nachsehen.“
    Ächzend hebt er seine Frau hoch. In diesem Moment fällt etwas aus Mahanias Händen auf den Boden. Ich bücke mich und hebe es auf. Es ist das Foto von dem Baby, das ich neulich schon gesehen habe.
    Mohamed nimmt mir das Foto aus der Hand und steckt es in die Brusttasche seines Hemdes.
    „Danke, ich geb’s ihr gleich wieder“, sagt er. „Sie hängt sehr daran.“
    Ich begleite die beiden zur Tür, die in den Garten führt, besser gesagt, zu dem Loch. Dann gehe ich zurück in die Ruine. Das Feuer ist noch heftiger geworden, und überall ist Rauch. Tausende von brennenden Büchern liegen auf dem Boden verstreut, für immer zerstört. Pergamente wirbeln durch die Luft wie Papierdrachen, die orientierungslos umhertrudeln.
    Ein entsetzliches Schauspiel! Die Arbeit von Jahren ist zunichte gemacht, ein Raub der Flammen

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