Das Reich der Dunkelheit
bemühte sich, den Sinn ihrer Worte zu verstehen.
„Bin ich unsterblich?“
„Das wolltet Ihr doch, oder?“, antwortete die Hexe. „Jetzt seid Ihr es! Wo habt Ihr Euch angesteckt?“
Frómodi versuchte, sich zu erinnern, doch sein Verstand war durcheinander. Undeutlich entsann er sich des Tages, an dem er gegen Arturo gekämpft hatte, damals, in der Grotte von Ambrosia. Er erschauerte, als er an den Moment dachte, als er den Fuß in das kristallklare, kalte Wasser des Flusses gesetzt hatte.
„Ich weiß es nicht“, log er. „Ich weiß nicht, wo ich mich angesteckt haben könnte.“
***
D ER Z USAMMENSTOß WAR furchtbar.
Ein vielstimmiger Schrei erfüllte den Turnierplatz, als die Lanzen aufeinanderprallten.
Der Lärm von Holz und Metall ließ die Zuschauer erstarren. Arturo und Justiniano verschmolzen miteinander. Minutenlang war es unmöglich, die beiden Kontrahenten in dem Durcheinander von Stoff, Eisen und aufwirbelndem Staub auseinanderzuhalten. Sie hatten sich ineinander verkeilt, und nichts und niemand schien sie trennen zu können.
Das Wiehern der Pferde war weithin zu hören. Selbst die Wachposten, die weit weg vom Geschehen stationiert waren, schreckten auf. Es hörte sich an wie Schmerzensschreie.
Die Lanzen zersplitterten auf den gegnerischen Schilden, und auch wenn die Körper der Ritter nicht getroffen wurden, war der Stoß so heftig, dass sie beinahe das Bewusstsein verloren. Benommen schwankten sie auf ihren Pferden, während sie herauszufinden versuchten, an welcher Stelle ein Holzsplitter oder eine Metallspitze in ihren Körper eingedrungen war. Doch das war gar nicht so einfach. Blut oder Schmerzen konnten eine wichtige Spur sein, die zeigte, ob und wie schwer sie vom Gegner getroffen worden waren.
Die Zuschauer sahen sich fragend an. Was war geschehen? Wer hatte gewonnen? Keiner wusste die Antwort.
Arquimaes war erleichtert, als er sah, dass Arturo fest im Sattel saß. Obwohl er die Stärke und die Macht des jungen Ritters kannte, hatte er befürchtet, dass etwas Unheilvolles passieren würde. Wenn Arturo in diesem sinnlosen Duell vom Pferd gestürzt wäre, hätte die Schwarze Armee vor großen Schwierigkeiten gestanden. Doch dank Adragón war bislang alles gut gegangen. Und auch Justiniano hatte den Zusammenstoß heil überstanden.
Weder Sieger noch Besiegte, dachte der Alchemist zufrieden.
Als Arturo und Justiniano erneut Aufstellung nahmen, um den Kampf wieder aufzunehmen, ereignete sich etwas, das allen den Atem stocken ließ.
„Drachen!“, schrie ein Wachposten auf dem Turm, der den Turnierplatz überragte.
Panik erfasste die Menge. Dieses Wort erschreckte auch die tapfersten Krieger und erinnerte sie an die Schlacht um Emedia, als die entfesselten Tiere große Verheerungen angerichtet hatten.
Der Alchemist war sich sofort darüber im Klaren, was die Attacke der Feuerdrachen zu bedeuten hatte.
„Der Krieg hat begonnen!“, rief er und sprang auf. „Wir müssen uns verteidigen!“
„Zu den Waffen!“, brüllten die Generäle.
Arturo vernahm das Flügelschlagen der gefährlichen Bestien und zügelte sein Pferd.
„Wir haben ein Problem, Herr“, sagte Crispín. „Demónicus’ Drachen greifen uns an!“
„Bring mich zu Arquimaes“, befahl Arturo. „Unsere Armee muss wissen, dass wir an ihrer Seite stehen.“
Crispín ergriff die Zügel des Pferdes und führte seinen Herrn direkt zur Haupttribüne.
Die Drachen stürzten sich auf die Zuschauer. Demónicus hatte sie geschickt, um ein Blutbad in den Reihen der Schwarzen Armee anzurichten. Die Soldaten wurden von dem fürchterlichen Feuer eingehüllt, das die Tiere spien. Viele hatten keine Zeit zu fliehen. Ihre Schreie und die Befehle der Truppenführer vermischten sich mit dem Gewieher der Pferde, die noch panischer reagierten als ihre Reiter.
Als Arturo die Ehrentribüne erreichte, sprang Amarofet mit einem Schwert in der Hand auf die Sandpiste, bereit, ihn zu beschützen.
„Was sollen wir tun, Meister?“, rief Arturo.
„Stell dich an die Spitze deiner Armee“, befahl ihm der Alchemist. „Ich komme gleich nach.“
Eilig befolgte Crispín die Anweisung des Weisen und brachte seinen Ritter in die vorderste Reihe der Schwarzen Armee.
Als sie fort waren, wandte sich Amarofet an Arquimaes.
„Du musst mir den Drachenbuchstaben aufs Gesicht malen!“, bat sie fast flehend. „Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren!“
„Gut, ich werde es tun, aber …“
„Die Stunde der Entscheidung ist gekommen!“,
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