Das Reich der Dunkelheit
müssen.
Was dort unten in der Grotte geschehen ist, ist ein Geheimnis, das ich bisher noch nicht entschlüsseln konnte. Und es gibt immer noch ein paar Fragen, auf die ich keine Antwort habe: Bin ich unsterblich? Und wenn ja, habe ich es meiner Mutter zu verdanken? Bin ich der Sklave meines Drachen?
Jetzt stehe ich bereits eine Stunde im Regen auf der Kuppel und sinniere vor mich hin, stelle Vermutungen über meine Vergangenheit und meine Zukunft an. Nicht mehr lange, dann wird es hell werden. Ich klettere wieder ins Innere der Kuppel und suche Schutz in der Stiftung.
Vor ein paar Stunden ist die Sonne aufgegangen. Ich versuche, mich auf das zu konzentrieren, was um mich herum passiert.
Ich befinde mich im Vortragssaal der Stiftung. Del Hierro und sein Anwalt, Señor Terrier, haben uns herzitiert. Stromber sitzt zwischen den beiden auf dem Podium hinter einem Tisch. Seiner Miene nach zu urteilen könnte man meinen, er führe den Vorsitz.
Noch einmal lese ich die Kopie der „Vorladung“, die Sombra mir überlassen hat:
W IR BITTEN S IE, SICH AM M ONTAG UM 10 U HR IM V ORTRAGSSAAL EINZUFINDEN. E S GIBT ETWAS SEHR W ICHTIGES ZU BESPRECHEN.
Mein Vater, Sombra, Mahania und Mohamed, die Sicherheitsbeauftragte Adela sowie die anderen Angestellten der Stiftung sitzen wie ich auf den Stühlen und warten auf das, was sie uns zu erzählen haben.
Del Hierro beugt sich vor, schaltet das Mikrofon ein und eröffnet die Sitzung: „Guten Morgen, die Herrschaften. Ich habe Sie hergebeten, um Sie über die anstehenden Veränderungen in der Stiftung zu informieren. Unser Anwalt, Señor Terrier, wird Sie jetzt mit den nötigen Details vertraut machen.“
Als Nächstes spricht besagter Señor Terrier: „Als Anwalt der Bank, die hier von Señor Del Hierro vertreten wird, möchte ich Sie darüber informieren, dass vom heutigen Tag an Señor Stromber offiziell seine Aufgabe als Verwalter der Stiftung Adragón übernimmt. Señor Arturo Adragón, der bisherige Besitzer der Stiftung, wird ab jetzt den Posten eines Beraters innehaben. Seine Funktion wird auf inhaltliche Fragen beschränkt bleiben, wobei all seine Entscheidungen von Señor Stromber bestätigt werden müssen.“ Señor Terrier macht eine Pause, um einen Schluck Wasser zu trinken. Er versucht, seine große Nervosität zu verbergen, was ihm jedoch nicht gelingt. „Dementsprechend, meine Damen und Herren, bedürfen in Zukunft alle Entscheidungen ausnahmslos der persönlichen Zustimmung des neuen Verwalters Señor Frank Stromber.“
Bedrückendes Schweigen.
Sombra sitzt da wie eine Statue.
„Señor Stromber wird Ihnen jetzt die neuen Regeln erklären, die von heute an in diesem Hause gelten.“
Terrier schaltet sein Mikrofon aus und gibt dem Antiquitätenhändler ein Zeichen, woraufhin dieser eine Taste drückt. Er wartet ein paar Sekunden, bevor er sich zu seinem Mikrofon vorbeugt und mit einschmeichelnder Stimme sagt: „Guten Morgen, meine Damen und Herren. Als Erstes möchte ich Ihnen zu Ihrer Beruhigung mitteilen, dass Ihre Arbeitsplätze nicht in Gefahr sind. Alle, die zurzeit hier arbeiten, werden wir behalten, auch wenn wir möglicherweise neue Mitarbeiter einstellen werden. Alles andere wird so bleiben, wie es ist. Die Stiftung wird ihre Arbeit fortsetzen, allerdings in erweiterter Form, um die Einnahmen zu steigern. So wird es in Zukunft mehr Besucher geben. Uns liegen gute Angebote von verschiedenen Reiseveranstaltern vor, die daran interessiert sind, die Stiftung in ihr Programm aufzunehmen. Wie Sie ja wissen, verfügen wir derzeit lediglich über die Räume, die sich oberhalb der Erde befinden; aber wir bemühen uns darum, bald auch Zugang zu den drei Kellern zu bekommen, in denen zahlreiche Objekte von historischem Wert aufbewahrt werden, die für Touristen höchst attraktiv sind. Die Stiftung wird sich also künftig dem Kulturtourismus öffnen und ab sofort ‚Stiftung Stromber Adragón’ heißen. Gibt es dazu irgendwelche Fragen?“
Alle schauen sich irritiert an, doch niemand sagt etwas dazu. Sombra ist seine Erregung deutlich anzusehen. Schließlich kann er nicht mehr an sich halten.
„Dieses Haus hat immer Adragón geheißen!“, protestiert er. „Das ist ein nicht zu tolerierender Amtsmissbrauch! Die Stiftung mit Touristen zu überschwemmen entwürdigt die Arbeit, die wir in all den Jahren geleistet haben! Eine Schande ist das! Sie entehren den Namen Adragón!“
Del Hierro und Stromber grinsen sich nur mitleidig an.
„Lieber Señor
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