Das Reich der Dunkelheit
ich an der Stelle vorbeikomme, wo Hinkebein immer gesessen und um Almosen gebettelt hat, wird mir klar, dass ich ihn vermisse. Wenn das so weitergeht, wird bald nichts mehr von meiner kleinen Welt übrig sein. Alle verschwinden. Wenn Stromber Mahania und Mohamed entlässt, dann wird er in Kürze auch meinen Freund Hinkebein, der nun seit einiger Zeit mit Papas Erlaubnis im Gartenhäuschen wohnt, vor die Tür setzen.
***
V OR DER S CHULE wartet Cristóbal auf mich, zusammen mit Mercurio. Hoffentlich haben sie keine schlechten Nachrichten. Für heute reicht es mir.
„Hallo, Arturo“, sagt Cristóbal. „Hör mal, ich muss mit dir reden.“
„Bist du von der Schule geflogen?“, lache ich.
„Von der Schule geflogen? Ich? Soll das ein Witz sein?“
„Ja, aber ein schlechter“, gebe ich zu. „Und genauso hat auch mein Tag begonnen.“
„Was ist los? Ist was Schlimmes passiert?“
„Nur das Übliche. Stromber macht uns Ärger.“
„Arturo, der Direktor möchte dich sprechen“, sagt Mercurio. „Du sollst noch vor dem Unterricht zu ihm kommen.“
„Das muss ja megadringend sein.“
„Und du sollst meinen Vater anrufen“, fügt Cristóbal hinzu. „Wegen des internationalen Kongresses, der in Kürze stattfindet.“
„Was weißt du denn davon?“, frage ich ihn ein wenig überrascht.
„Alles! Meinst du, ich bin blöd?“
„Dass du nicht blöd bist, hab ich inzwischen kapiert“, muss ich anerkennen. „Wir sehen uns später, in der Pause. Ich muss dir was Supergeiles erzählen.“
Ich gehe hinauf in den ersten Stock, wo sich das Büro des Direktors befindet. Aber erst einmal muss ich ins Sekretariat, um mich anzumelden.
„Hallo! Ich bin Arturo Adragón, der Direktor will mit mir sprechen.“
„Warte einen Moment, Arturo“, sagt die Sekretärin zu mir und drückt eine Taste der Gegensprechanlage.
Während sie spricht, sehe ich mir die Fotos an, die an den Wänden hängen.
„Du kannst jetzt reingehen, Arturo“, sagt sie und zeigt auf die Tür zum Büro. „Der Herr Direktor erwartet dich.“
Ich klopfe höflich an und öffne vorsichtig die Tür.
„Komm rein, Arturo“, sagt der Direktor. „Setz dich bitte.“
„Danke, Herr Direktor. Mercurio hat gesagt, dass Sie mich sprechen wollen, und da bin ich sofort gekommen.“
„Ich habe gehört, dass dein Vater große Probleme in der Stiftung hat. Und bevor ich mit ihm rede, wollte ich mit dir über die archäologischen Objekte sprechen, die im Garten der Schule gefunden wurden.“
„Ja, im Moment ist es ziemlich kompliziert bei uns. Aber wir hoffen, dass sich bald eine Lösung finden wird.“
„Also, die Leute, die ebenfalls an den Artefakten interessiert waren, haben ihr Angebot ohne Angabe von Gründen plötzlich zurückgezogen. Das heißt, der Weg ist frei für euch. Die Stiftung kommt als einzige Institution in Frage …“
„Die Leute um Horacios Vater sind ausgestiegen?“, frage ich erstaunt. „Sind Sie sicher?“
„So ist es. Und ich glaube, Horacio hatte dabei seine Finger im Spiel. Weißt du etwas darüber, Arturo?“
„Nein. Ich habe jedenfalls nichts damit zu tun.“
„Du hast ihm doch nicht mit irgendwas gedroht, oder?“
„Nein! Überhaupt nicht!“
Er streicht sich über den Bart, während er über meine Antwort nachdenkt.
„Na gut, geh jetzt in deine Klasse“, sagt er schließlich. „Und bestell deinem Vater, er soll so schnell wie möglich zu mir kommen, um die Papiere wegen der Ausstellungsrechte zu unterzeichnen.“
Ich stehe auf und gehe hinaus. Ich habe ein seltsames Gefühl. Bestimmt gibt es einen anderen Grund dafür, warum der Direktor mich zu sich bestellt hat. Ich glaube, er wollte etwas anderes von mir erfahren.
Ich gehe in meine Klasse. Norma erzählt gerade etwas über fantastische Literatur, die immer mehr in Mode kommt.
Ich setze mich neben Metáfora. Sie begrüßt mich mit einem Lächeln.
„Du bist spät dran“, stellt sie fest.
„Ich musste zum Direx.“
„Probleme?“
„Ich glaube nicht. Nachher erzähl ich dir alles.“
„Horacio hat mich gefragt, ob wir später mit ihm was trinken gehen.“
„Wirklich? Sieht aus, als wollte er sich um jeden Preis bei uns beliebt machen.“
„Du solltest es dir überlegen, Arturo“, sagt sie. „Ich glaube, er meint es ernst.“
Ich schaue zu Horacio hinüber und merke, dass er mich beobachtet. Ich habe den Eindruck, dass er mich jetzt ganz anders ansieht als früher, vor seiner Begegnung mit meinem Drachen. Früher hat er sich
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