Das Reich der Dunkelheit
aufgewühlt.
„Wenn ich anfange, an all das zu glauben, muss ich annehmen, dass du tatsächlich unsterblich bist“, sagt sie.
„Und was wäre so schlimm daran?“
„Was so schlimm daran wäre? Na ja, wenn mein Leben zu Ende gehen würde, wärst du immer noch da! Wenn ich alt wäre, wärst du jung! Begreifst du das nicht?“
Jetzt hat sie mich!
„Ich kann doch nicht die Freundin von jemandem sein, der ewig lebt!“
„Ich könnte dich wiederbeleben!“, schlage ich vor, ohne mir über die Tragweite meiner Worte im Klaren zu sein.
„Bist du verrückt?“, ruft sie. „Und willst du mich auch verrückt machen? Willst du mich jedes Mal wiederbeleben, wenn ich gestorben bin?“
„Ich wollte doch nur sagen, dass … Na ja, ich weiß nicht, aber wenn mein Vater meine Mutter wiederbeleben kann, dann könnte ich dich doch vielleicht auch …“
„Immer wieder ins Leben zurückholen, so oft du willst? Dann würden wir also ewig leben, wie die Vampire, die jedes Mal, wenn der Mond aufgeht, von den Toten auferstehen! Ich will hier weg, jetzt sofort!“
„Nein, bitte geh nicht!“, flehe ich sie an und springe auf. „Bleib hier, bitte!“
„Geh mir aus dem Weg!“, schreit sie mich an und sucht ihre Sachen zusammen. „Lass mich, du Psychopath! Ich will hier raus!“
Sie zwingt mich, die Tür freizugeben. Wenn sie noch lauter schreit, meinen die Leute am Ende noch, ich würde ihr etwas antun.
„Ist ja gut … Komm, wir reden woanders weiter, ja? Lass uns in die Cafeteria gehen“, schlage ich vor.
„Kommt gar nicht in Frage! Ich will dich nie wieder sehen! Nie mehr! Man sollte dich einsperren!“
Sie ist völlig außer sich. Besser, ich lasse sie gehen.
„In Ordnung“, sage ich ganz ruhig. „Wenn du willst …“
„Natürlich will ich! Geh von der Tür weg!“, schreit sie.
„Tut mir leid, verzeih mir.“
„Ich soll dir verzeihen?“
„Aber Metáfora …“
„Vergiss mich!“
Sie rennt hinaus und knallt die Tür so laut zu, dass die Wände zittern. Noch nie habe ich sie so aufgebracht erlebt.
***
I MMER WENN ICH auf das Kuppeldach steige, um mich zu beruhigen, entdecke ich, dass Férenix sich ausbreitet wie ein Weinfleck auf einer Tischdecke. Die Lichter erstrecken sich schon beinahe bis zum Monte Fer und verlieren sich in der Ebene.
Ich zwinge mich, an alltägliche Dinge zu denken, um den Streit mit Metáfora zu vergessen. Doch ich weiß, dass mir das nicht gelingen wird. Immer wieder schleicht sie sich in meine Gedanken ein, ohne dass ich es verhindern kann.
„Woran denkst du, Kleiner?“, fragt Sombra und setzt sich neben mich.
„An nichts, ich schaue mir nur an, wie Férenix wächst.“
„Man denkt immer an irgendetwas. Das Gehirn hört nie auf zu arbeiten.“
„Aber man denkt nicht immer an etwas Interessantes“, entgegne ich.
„Du hast doch was, Arturo! Aber vielleicht willst du es mir nicht erzählen …“
„Ach, es ist nichts …“
„Dass Metáfora wütend aus dem Haus gestürmt ist, das soll nichts sein?“, fragt er verschmitzt.
„Woher weißt du das? Hat sie dir was erzählt?“
„Ihr Geschrei war im ganzen Haus zu hören. Hab schon lange niemanden mehr so wütend gesehen.“
„Ich habe ihr nichts getan, das kannst du mir glauben …“
„Das weiß ich doch. Aber du musst sie verstehen! Sie hat Angst, das ist ihr gutes Recht. Du bist kein normaler Junge. Die Leute haben Angst vor dir, das ist doch ganz natürlich.“
„Sombra, glaubst du, dass ich unsterblich bin? Sag mir die Wahrheit!“
„Was ist mit dir? Glaubst du es?“
„Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll. Das ist alles zu viel für mich. Wir reden über Mamas Wiederauferstehung, so als wäre es das Natürlichste der Welt! Und ich soll glauben, dass ich unsterblich bin … Das ist doch verrückt, Sombra! Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert! So etwas gibt es nicht! So etwas darf es einfach nicht geben! Das sind Legenden aus dem Mittelalter, die sind doch völlig überholt … Niemand glaubt noch an so was. Es gibt keine Alchemisten mehr, Hexenmeister gehören der Vergangenheit an, Drachen werden digital hergestellt und kommen nur noch in Filmen vor … Da ist es ja ganz normal, dass Metáfora wütend geworden ist. Solche Geschichten müssen doch jeden wahnsinnig machen.“
Sombra betrachtet den Horizont und lässt mich reden, damit ich mich ausspreche.
Ich glaube, das ist wirklich das Beste, was er im Moment tun kann.
„Pass auf, dass du nicht den Verstand verlierst,
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