Das Reich der Finsternis - Verdammt: Band 2 (German Edition)
einen Kieselstein auf den Weg.
»Wen?«, erkundigte sich Mona.
»Diesen neuen Postmann«, knurrte der Kobold.
Doch woher seine Abneigung kam, konnte er nicht in Worte fassen. Daher wechselte Mona das Thema.
»Wo ist Finola?«
»Keine Ahnung. Vielleicht noch auf dem Dachboden. Ich bin nicht ihr Kindermädchen und kann ständig nachsehen, was für Dummheiten sie gerade treibt.«
»Willst du mit zur Ruine kommen?«, erkundigte sich Mona, doch er lehnte ab.
»Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Ich muss mich um meine eigenen Dinge kümmern.«
Offensichtlich war der Kobold schlechter Laune, daher wandte sich Mona mit einem Schulterzucken ab und lief Patrick und Kylah hinterher. Der Kobold blieb mit verdrießlicher Miene unter dem Rosenbusch zurück.
E s war schon spät. Mit Brendas Hilfe hatte sich Grand Myrna die Treppe hinaufgearbeitet, um diese Nacht in ihrem eigenen Bett zu verbringen. Das Sofa im Wohnzimmer wurde ihr zu unbequem. Außerdem war ihr nun nach ein paar Tagen eine Waschschüssel mit warmem Wasser in der Küche zu wenig.
»Man wird bequem und verweichlicht mit der Zeit«, sagte sie streng zu sich selber. »Für unsere Vorfahren in der Burg drüben war eine Schüssel warmes Wasser zum Waschen schon Luxus, wenn man einen solch riesigen See vor den Toren liegen hat.«
Sie ließ sich also von Brenda im Bad helfen und humpelte dann in ihr Schlafzimmer hinüber. Auch die Kinder lagen inzwischen in ihren Betten, Cera zu Monas Füßen. Im Haus war Ruhe eingekehrt. Nur ab und zu klapperte es auf dem Dachboden oder die Dielenbretter knarrten wie unter Schritten, doch im Gegensatz zu ihren ersten Nächten hier im Haus störte dies Mona nicht mehr. Jetzt, da sie wusste, dass sich die beiden Kobolde nachts im Haus herumtrieben, konnten die Geräusche ihr keine Angst mehr machen.
»Schlafen die denn nie?«, grummelte sie, als über ihr etwas über den Boden geschleift wurde. Sie gähnte herzhaft und drehte sich auf die andere Seite. Patrick schien bereits zu schlafen, doch Mona war plötzlich wieder hellwach. Obwohl sie sich müde fühlte, wollte der Schlaf nicht kommen. Sie legte sich auf den Rücken, verschränkte die Arme unter dem Kopf und dachte über den ereignisreichen Tag nach. Immer wieder kehrten ihre Gedanken auf den Dachboden zurück. Mit welch freudiger Erwartung waren sie dort hinaufgestiegen und wie bitter enttäuscht hatten sie ihn verlassen.
Mona überlegte, wie Grand Myrnas Urururgroßvater versucht haben mochte, seinem Sohn die Nachricht über die Lage des Schatzes zu schicken, ohne dass diese wertvolle Information in falsche Hände geraten konnte. Die beiden Briefe lediglich zu trennen, schien ihr keine gute Idee. Wie dann? In den Büchern, die Patrick so gerne las, fanden die Abenteurer meist eine Schatzkarte, oder mehrere, die recht kompliziert verschlüsselt und mit allerlei Rätseln versehen waren, doch am Ende gelang es den Helden jedes Mal, das Geheimnis zu lüften und den Schatz zu finden. Wenn das doch im richtigen Leben auch so liefe! Sie seufzte. Cera an ihren Füßen winselte kurz.
Sie versuchte sich vorzustellen, wie der alte O’Connor eine Schatzkarte malte. Von der großen Eiche fünf Schritt nach Westen, dann in scharfer Biegung nach links und gerade auf den großen Felsen zu, oder so ähnlich. Selbst in ihrer Vorstellung kam ihr das ein wenig lächerlich vor. Nein, das war hier kein Piratenfilm. Und auch kein Abenteuerbuch, bei dem man sich Nachrichten mit unsichtbarer Tinte schrieb.
Mit einem Ruck setzte sich Mona auf. Oder etwa doch? Sie musste die letzten Sätze des Briefes unbedingt noch einmal hören, oder noch besser, mit eigenen Augen lesen.
Morgen. Wenn Grand Myrna bei ihrer Krankengymnastik war und Kylah sie wieder besuchte.
Mona wälzte sich hin und her, doch je mehr sie sich bemühte, Schlaf zu finden, desto wacher fühlte sie sich. Sie schob die Bettdecke zurück und rief halblaut: »Patrick, schläfst du schon?«
Keine Antwort. Nur Cera hob den Kopf und stellte die Ohren auf.
»Finola«, flüsterte Mona in die Stille der Nacht, die für sie die undurchdringliche Finsternis verloren hatte. Wie in den Gängen und Spalten der Höhle konnte sie nun die Konturen der Gegenstände als leichten Schimmer in verschiedenen Farben erkennen.
»Finola, zeig dich!«, raunte sie ein wenig lauter.
Nichts geschah. Die Koboldin konnte sie entweder nicht hören, oder sie hatte keine Lust, sich zu zeigen.
Mona beschloss, erst einmal einen Schluck Wasser zu trinken.
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