Das Reich der Katzen (German Edition)
Katzenschar
zusammengerufen. Dabei war es dem Zufall überlassen, wer letztendlich zu der
nächtlichen Zusammenkunft stieß. Aber der Zirkel der dreizehn schwarzen Katzen
war gespenstisch gut organisiert gewesen. Und das war mehr als schwer zu
verdauen.
Ben fasste sich bedeutend schneller als die drei Kätzinnen. »Das
müssen wir den anderen erzählen«, sagte er und seine Stimme schien nicht mehr
ihm zu gehören.
»Die glauben uns bestimmt kein Wort«, wandte Twinky ein.
Ben erwiderte leise: »Da kannst du Recht haben, aber wer will
ihnen das verübeln?«
Die »anderen« glaubten wirklich kein einziges Sterbenswörtchen,
aber als Fleur und Onisha immer wieder beteuerten, dass Ben und Twinky die
Wahrheit sagten, verschwanden die Zweifel.
»Es ist kein Wunder, dass wir euch erst nicht geglaubt haben.
Immerhin haben uns Ben und Twinky schon die tollsten Streiche gespielt.
Zumindest in ihrer Glanzzeit. Und nun kommt ihr mit dieser Geschichte«, warf
Corey entschuldigend ein. Er dachte eine Weile nach. »Es ist schon komisch ...«
»Was ist daran komisch?«, fuhr Ben aufgebracht dazwischen. »Ich
fand es keineswegs komisch. Und meine Begleiterinnen glaube ich auch nicht. Wir
...«
»Reg dich nicht auf, Ben«, hielt ihm Corey ruhig entgegen. »So
habe ich es nicht gemeint. Ich meinte, wenn man sich die Sage um dieses Kloster
ins Gedächtnis ruft, bekommt das mit dem Katzenzirkel vielleicht einen Sinn.«
»Ich verstehe kein Wort«, fiepte Rocky. Seine Augen waren
tellergroß vor Angst.
»Alles, was Ben erzählt hat, ergäbe dann einen Sinn. Auch alles,
was Fleur und Onisha gesehen und geträumt haben«, murmelte Corey vor sich hin
und beachtete Rockys Bemerkung nicht.
»Ich verstehe nur Bahnhof«, mischte sich jetzt auch Rouven ein.
Die Rast hatte ihm sichtlich gut getan. Er wirkte um einiges erholter. Onisha
sah die Erleichterung auf Bens Gesicht, als er seinen Freund anblickte, und ihr
wurde warm ums Herz. Er ist nicht so großkotzig, wie er uns immer weismachen
will, dachte sie.
Corey lächelte nachsichtig über die Aufregung unter den jüngeren
Katzen. Er war in seiner Jugend auch so emotional gewesen. Auch wenn er das
Gefühl hatte, dass das schon mehrere Leben lang zurücklag. Vielleicht stimmte
es ja, was die Menschen über seine Gattung behaupteten. Vielleicht hatten sie
ja wirklich sieben Leben. »Die Alten haben viel über dieses Kloster gesprochen.
Es war ein Mönchskloster mit undurchschaubaren Glaubenspraktiken. Die Menschen
aus den umliegenden Dörfern hatten allesamt Angst davor und haben um das
Schwarze Kloster einen riesengroßen Bogen gemacht.« Corey seufzte.
»Was meinst du mit undurchschaubaren Glaubenspraktiken?«, wollte
Ben interessiert wissen.
»Sie hatten eine sehr enge Beziehung zu den Katzen, die mit ihnen
zusammen das Kloster bewohnten. Man sagt, dass sie die Tiere beinahe verehrten.
Böse Zungen behaupten sogar, dieses Kloster wäre nicht zu Gottes Gedenken
gebaut worden, sondern zu ... Bastets.« Corey stockte, bevor er weitersprach.
Man sah ihm deutlich an, dass er unschlüssig war, ob er überhaupt weiterreden
sollte. Doch letztendlich tat er es. »Die Mönche sollen auch experimentiert
haben ...«
»Wie bitte?« Bens Gesicht war ein einziges Fragezeichen.
»Es soll ihnen gelungen sein, die Grenze zwischen dem Diesseits
und Jenseits zu überschreiten. Dabei sollen sie die Gestalt verändert haben.«
»Lass mich raten«, sagte Ben mit seltsam belegter Stimme. »Sie
haben sich in rabenschwarze Kater verwandelt.«
»Genau«, bestätigte Corey.
»Und lass mich weiterraten: Lebten hier dreizehn Mönche?« Corey
nickte stumm. Und Ben sprach das aus, was Onisha, Fleur und Twinky dachten,
aber nicht auszusprechen wagten: »Ich glaube, wir haben die Mönche gesehen, Corey!«
Onisha spürte Erregung in sich aufsteigen. Den ganzen Tag schon
hatte sich ein Unwetter zusammengebraut. Zuerst war der Himmel in Messing
getaucht. Dann hatte er sich gegen Abend in Blei verwandelt. Später war diese unnatürliche
Stille in der Luft. Kein Windhauch rührte sich, kein Blättchen fiel vom Baum.
Selbst die Vögel waren verstummt. Es war die sprichwörtliche Ruhe vor dem
großen Sturm. Als sich das Gewitter endlich grollend entlud, war es Onisha, als
würden dadurch auch die Spannungen aus ihrem Körper und ihrer Seele weichen.
Doch das war nur ein Trugschluss.
Der Regen weichte den Boden auf. Erdgeruch stieg in Onishas
kleine Nase. Sie wünschte sich weit weg. Wünschte sich schon in das
Weitere Kostenlose Bücher