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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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seinen Bussard mochte sie mittlerweile. Targon dagegen strahlte etwas Unangenehmes aus, und Lena mied seine Nähe. Aravyn war ein Fall für sich. Natürlich war Lena eifersüchtig auf sie, dennoch konnte sie seltsamerweise keinen Groll gegen Ragnars Geliebte hegen. Soweit sie das bislang beurteilen konnte, hatte Aravyn für jeden ein offenes Ohr, zeigte sich stets hilfsbereit, und unbeherrscht oder zornig hatte sie die junge Tuavinn noch nie erlebt. Die beiden Streithähne Taramin und Gheros hatten sich vorhin kurz mit ihr unterhalten. Zwar hatten sie sich ihr gegenüber freundlich gezeigt, doch waren Lena auch die kritischen Blicke aufgefallen, mit denen sie Ragnar bedachten – und damit waren sie nicht die Einzigen. Schon am Morgen, als noch Tau die Wiese vor der großen Höhle benetzt und viele Tuavinn sich für die Abreise vorbereitet hatten, waren Lena die teils düsteren, teils unsicheren Blicke nicht entgangen. War vielleicht Targon schuld daran, hatte er sie aufgehetzt? Oder rührte das Misstrauen daher, dass Ragnar in einer anderen Welt aufgewachsen war? Mochten die Tatsache, dass es jemanden wie ihn noch nie zuvor gegeben hatte und dass er auch abseits der Kraftorte Pfade nach Elvancor öffnen konnte, am Ende der Beweggrund für das ablehnende Verhalten sein?
    Lena konnte es nicht sagen. In jedem Fall hatte sich die Stimmung geändert. Als Ragnar nur mit Etron, Amelia und Maredd zusammen gewesen war, hatte sie das Gefühl gehabt, er wäre endlich an dem Ort angekommen, an den er gehörte, wo er akzeptiert und geliebt wurde. Doch nun erschien ihr alles deutlich weniger harmonisch. Ragnar war wohl ein Kind zweier Welten.
    In diesem Moment trat Maredd, gefolgt von Wenlann und Ilragar, aus der Höhle. Ragnars Großvater reichte den beiden zwei Köcher, die sie schweigend entgegennahmen.
    Mit ernsten Gesichtern prüften sie die Pfeile einzeln, und erst nach einer eingehenden Begutachtung nickten sie.
    Lena musterte die beiden neugierig. Sie hätten Brüder sein können, mit den kurzen Bärten, die sie trugen und die Oberlippe und Kinn gleichermaßen bedeckten. Die hohen Wangenknochen und die ausgeprägten Kinnpartien wurden dadurch eher hervorgehoben als überspielt. Wenlann war etwas breiter gebaut als Ilragar, die langen, für Tuavinn oft so bezeichnenden silbergrauen Haare trugen sie beide zu Pferdeschwänzen gebunden.
    Nun steuerte Maredd in Lenas Richtung.
    »Es ist so weit, Lena. Wenn du uns nun den Pfad öffnen würdest?«
    »Oh, jetzt schon … natürlich.« Sofort sprang sie auf und spürte eine gewisse Aufregung. Sie war froh um Maredds Hand, die beruhigend auf ihrem Rücken lag.
    Die beiden Tuavinn begrüßten sie mit einer Verbeugung, aber ihr entging auch nicht der prüfende Blick aus den dunklen Augen. Was mochten sie wohl von ihr halten? Lena schluckte und folgte Maredd. Schweigend führte dieser sie durch die Haupthöhle und steuerte auf eine Wand zu, die noch nicht von Amelias Bildern verziert worden war. Durch einen schmalen Spalt gelangten sie in einen Felsgang. Auch hier glommen fahle Kristalle, ihre Schritte hallten von den Wänden wider.
    »Wie … also wie wollt ihr eigentlich zur Esperhöhle kommen? Kennt ihr euch überhaupt aus?«, erkundigte sich Lena vorsichtig. Die Frage war eher ihrer Aufregung geschuldet als wirklicher Besorgnis, denn immerhin sprach sie mit Tuavinn.
    Ilragar blieb plötzlich stehen, seine Adleraugen wandten sich ihr zu. »Wir sind Tuavinn. Wir werden dorthin gelangen, wohin wir es wünschen.« Dann beugte er sich zu ihr hinab, und Lena kam sich vor wie ein Kind, zu dem ein Erwachsener sprach. »Wir mögen aussehen wie Menschen«, flüsterte er. »Doch wenn wir die Grenze übertreten und auf die Jagd gehen, werden wir zu etwas anderem.«
    Mit einem Mal fröstelte es sie.
    »Auch wir können zu Schatten werden, um die Schattenwesen zu jagen. Haben wir ihre Fährte erst einmal aufgenommen, werden wir zu«, er neigte seinen Kopf noch näher heran, »Jägern des Todes.«
    Unwillkürlich trat Lena einen Schritt zurück.
    »Du machst ihr Angst«, rügte Maredd Ilragar.
    »Sie weiß, wer wir sind, und sie soll auch wissen, zu was wir werden können«, unterstützte Wenlann seinen Bruder.
    Maredd nickte Lena aufmunternd zu, und sie gingen weiter.
    Die Schwerter und Dolche an den Gürteln der beiden Tuavinn und auch die Langbögen wirkten auf sie fast schon überflüssig. Es würde sie nicht wundern, wenn diese beiden die Rodhakan mit bloßen Händen vernichten

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