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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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einer sah immer wieder über die Schulter.
    Ureats Miene war unbewegt, aber Kian bemerkte die Schweißperlen auf seiner Stirn. Selbst wenn sein Onkel es nicht zugeben würde, auch er hatte Angst – so wie alle. Zu unberechenbar, zu schwer zu besiegen waren die Schatten, und ihre Überfälle mehrten sich.
    Allmählich senkte sich die Nacht über das Land, was ihre Reise noch gefährlicher machte. Verschmolzen mit der Dunkelheit lagen die Rodhakan auf der Lauer, ehe sie angriffen. Manchmal ließen sie sich durch Feuer abhalten, aber eben nicht immer. Man hatte auch schon Wachposten neben lodernden Flammen gefunden, von Rodhakan ermordet. So wie die meisten Krieger Talads fürchtete sich Kian nicht davor, sterben zu müssen, in die Ewigkeit einzuziehen, um vielleicht eines Tages in einem anderen Körper wiedergeboren zu werden. Sein Ende durch die Umarmung eines Rodhakan zu finden – das erfüllte ihn allerdings mit Entsetzen.
    Ureat und Kian ritten als Erste über einen Hügel.
    »Beim Licht der Ewigkeit!«, stieß Ureat aus und deutete nach vorne.
    In der Dämmerung kaum sichtbar, schmiegte sich ein Dorf in eine Senke. In der Mitte des Dorfplatzes brannte noch ein Feuer, Dampf stieg von dem großen Kessel auf. Schätzungsweise dreißig Körper lagen dort, ihre Glieder teils bizarr verrenkt, die Hände in die Erde gekrallt. Übelkeit stieg in Kian auf, als er bemerkte, dass sogar Kinder darunter waren.
    Schweigend ritten sie näher und hielten am Rande des Dorfplatzes an. Ohne große Hoffnung stieg Kian ab, besah sich jeden einzelnen Toten, aber das Leben war aus ihnen gewichen.
    »Wie viele sie wohl mitgenommen haben?«, überlegte Ureat laut, der neben der Leiche einer Frau in die Hocke gegangen war.
    Ein Knacken ließ Kian herumfahren, doch es war nur Teros, der ebenfalls abgestiegen war und sich neben ihn stellte.
    »Sicher sind die Rodhakan schon fort«, sagte er. »So schnell, wie sie zuschlagen, verschwinden sie meist wieder.«
    Langsam erhob sich Ureat, beugte sich schließlich zu einem kleinen Jungen hinab. Dann schloss er dessen Augen und schüttelte den Kopf. »Seht in den Hütten nach. Möglicherweise lebt noch jemand – wenngleich ich nicht einmal weiß, ob ich ihnen das wünschen soll.«
    »Wären sie doch nur in eine der Städte gekommen«, schimpfte Teros.
    »Vielleicht wollten sie einfach nur frei leben«, sagte Kian leise.
    »Du siehst, was ihnen das gebracht hat.«
    Nach und nach durchsuchten die Krieger Talads die einfachen, teilweise nur einen einzigen Raum umfassenden Häuser. Kian und zwei weitere Krieger schleppten Holz heran und schichteten es auf. Anschließend bahrten sie die Leichen auf dem Stapel auf. Ureat entzündete das Feuer.
    »Mögen eure Seelen in der Ewigkeit ihren Frieden finden.«
    »Denkt ihr, es ist wahr, dass diejenigen, die von Rodhakan getötet werden, nicht in die Ewigkeit eingehen und ihre Seele auf ewig verdammt ist?« Kian sah, wie seine Gefährten zusammenzuckten. Bestimmt hatten sie alle das Gleiche gedacht, es jedoch nicht auszusprechen gewagt.
    »Es ist eine Vermutung der Tuavinn«, antwortete Ureat mit Bedacht, wobei er den Rauch betrachtete, der in den Nachthimmel aufstieg. »Ich mag es nicht glauben, aber die Rodhakan«, schaudernd zog er seinen grauen Umhang enger um sich, »von ihnen geht eine Gefahr und ein Grauen aus, das jenseits jeglicher Bedrohung liegt, die es in Elvancor je gab. Warum nur werden sie immer stärker?«
    Wut und Entsetzen tobten in Kian, während er zusah, wie die Flammen die Toten verschlangen. Friedliebende, einfache Menschen, die sicher keine bösen Taten vollbracht hatten. »Wir müssen sie vom Antlitz dieser Welt fegen, Onkel«, zischte er durch zusammengebissene Zähne, »selbst wenn das Opfer von uns allen verlangt.«
    Ganz langsam senkte Ureat sein graues Haupt. »Selbst wenn es Opfer verlangt«, stimmte er bedächtig zu.
    »Du solltest die Mitte treffen.« Mit einem frechen Grinsen lehnte Ragnar an einem Felsen, biss in einen der köstlichen Wildäpfel, die hier zuhauf in den Bergen wuchsen, und deutete auf die Zielscheibe, ungefähr fünfzig Schritte von Lena entfernt.
    »Wie gut, dass du das erwähnst«, schnaubte Lena. Sie war froh, dass sich Ragnar nach der Sache mit Aravyn und der alten Frau wieder beruhigt hatte. Gesprochen hatte er nicht mehr darüber – zumindest nicht mit ihr. Dafür freute er sich aber mit ihr darüber, dass sie eine Waffe gefunden hatte, die ihr mehr lag als das Schwert. Während der letzten Tage hatte

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