Das Reich des dunklen Herrschers - 8
vermeintliche Kapitulation vor der Gewalt betrachtet -, bleibt euch als letztes Mittel nur, um Gnade zu betteln oder Versöhnung anzubieten.
Aber das Böse kennt keine Gnade, und jeder Versuch, sich mit dem Bösen auszusöhnen, wäre nichts weiter als eine schrittweise Kapitulation. Aber vor dem Bösen zu kapitulieren bedeutet im günstigsten Fall Sklaverei und schlimmstenfalls den Tod. Eure bedingungslose Ablehnung jeglicher Gewalt bedeutet in Wirklichkeit nichts anderes, als den Tod dem Leben vorzuziehen.
Ihr werdet stets nur das erreichen, was ihr bereitwillig annehmt.
Das Recht, ja, die absolut zwingende Notwendigkeit, an jedem Vergeltung zu üben, der als Erster zum Mittel der Gewalt greift, ist eine der Grundvoraussetzungen für das eigene Überleben. Die Ethik der Selbstverteidigung gründet sich auf das Recht eines jeden Einzelnen auf Leben. Darin äußert sich eine völlige Ablehnung jeder Gewalt, die sich nur durch die unerschütterliche Bereitschaft, jeden zu vernichten, der sich mit Gewalt gegen einen wendet, garantieren läßt. Die bedingungslose Entschlossenheit, jeden auszumerzen, der es wagt, gewaltsam gegen einen vorzugehen, erhöht wiederum den Wert des Lebens eines jeden Einzelnen. Somit ist die Weigerung, das eigene Leben jedem dahergelaufenen Schurken oder Tyrannen zu überlassen, im Grunde eine Bejahung des Lebens selbst.
Wenn ihr nicht bereit seid, euer Recht auf Leben zu verteidigen, dann benehmt ihr euch wie hilflose Nager, die mit einem Raubvogel debattieren wollen. Ihr haltet seine Methoden für verkehrt, er hält euch für sein Fressen.
Nach den Lehren der Imperialen Ordnung ist die Menschheit verdorben und böse, weshalb das Leben selbst von geringem Wert ist; ihr ganzes Verhalten bestätigt dies. Sie predigt, Erlösung und Glück können nur in einer anderen Welt erlangt werden, und das auch nur, wenn man sein Leben in dieser bereitwillig opfert.
Großzügigkeit, so sie aus freien Stücken erfolgt, ist eine wunderbare Sache, der Glaube an das Primat der Selbstaufopferung als moralische Bedingung dagegen ist nichts anderes als die Befürwortung der Sklaverei. Wer euch einzureden versucht, es sei eure bindende Pflicht, euch für andere aufzuopfern, versucht euch blind zu machen gegen die Ketten, die man euch im selben Moment um den Hals legt.
Seid ihr erst D’Haraner, wird niemand mehr von euch verlangen, euer Leben für andere zu opfern; aus dem gleichen Grund könnt ihr aber ebenso wenig verlangen, daß andere sich für euch aufopfern. Was ihr glauben wollt, bleibt euch überlassen, auch wenn ihr nicht mit der Waffe in der Hand für das Überleben der Gemeinschaft kämpfen wollt. Trotzdem müsst ihr euren Beitrag zur Unterstützung unserer Ziele leisten und dürft weder materiell noch geistig zu der Zerstörung unserer Werte und damit unseres Lebens beitragen - das wäre Verrat und würde als solcher geahndet.
Die Imperiale Ordnung hat unschuldige Länder wie das eure gewaltsam erobert; um die Herrschaft an sich zu reißen, haben sie Menschen versklavt, gefoltert, vergewaltigt und ermordet. In der Neuen Welt sind ihre Truppen nicht minder gewaltsam vorgegangen. Damit hat sie das Recht verwirkt, gehört zu werden. Das ist mitnichten ein moralischer Konflikt; es gibt auch keine ethischen Fragen mehr zu diskutieren: Sie muß zu Staub zermalmt werden.«
Einer der Männer trat vor. »Aber der natürliche Anstand im Umgang mit unseren Mitmenschen gebietet doch, daß wir uns ihrer für ihr fehlerhaftes Verhalten erbarmen.«
»Der höchste Wert ist das Leben selbst - was ihr in eurer wirren Vorstellung von Erbarmen zwar erkennt, aber nur zum Teil. Mit der bewußten, vorsätzlichen Ermordung eines Menschen nehmen sie diesem etwas Unersetzliches. Ein Mörder, der aus freiem Antrieb tötet, hat sein Recht auf Leben verwirkt.«
»Weil die Imperiale Ordnung Eure Heimat überfallen hat«, dachte Owen laut nach, »wollt Ihr also jeden in der Alten Welt umbringen?«
»Nein. Die Imperiale Ordnung ist eine Verkörperung des Bösen, und sie stammt aus der Alten Welt, aber das heißt nicht, daß alle Menschen in der Alten Welt böse sind, nur weil sie zufällig auf einem von bösen Menschen regierten Stück Land geboren wurden. Manche unterstützen diese Tyrannen tatkräftig und machen sich das Böse dadurch zu eigen, doch das trifft längst nicht auf alle zu. Viele Menschen in der Alten Welt sind ebenfalls Opfer der Herrschaft der Imperialen Ordnung und leiden sehr unter ihrem barbarischen
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