Das Reich des dunklen Herrschers - 8
für gewöhnlich auf, erst recht, wenn sie blond sind. Das soll allerdings nicht heißen, daß meine Manner und ich nicht bereit waren, bei einem Versuch, Zedd dort herauszuholen, unser Leben aufs Spiel zu setzen; ich will damit nur sagen, daß wir unser Leben umsonst aufopfern würden.«
Ein Gefühl grenzenloser Hoffnungslosigkeit breitete sich im Zelt aus.
Der General gestikulierte mit dem Blatt Papier, nachdem Rikka es ihm zurückgegeben hatte. »Habt Ihr eine Vermutung, was ein Schleifer sein könnte, Prälatin?«
Verna sah ihm in seine festen, blauen Augen. »Ein Seelenräuber.«
Der General legte die Stirn in Falten. »Ein was?«
»Damals, im Großen Krieg vor dreitausend Jahren, verwandelten die Zauberer Menschen in Waffen. Eine dieser Waffen waren die Traumwandler wie Jagang. Am besten läßt es sich vielleicht so erklären: Ein Schleifer ist in gewisser Hinsicht dasselbe wie ein Traumwandler. Ein Traumwandler vermag in den Verstand eines Menschen einzudringen und ihn völlig zu beherrschen. Mit einem Schleifer verhält es sich meines Wissens ähnlich, nur daß er sich des Geistes, der Seele, bemächtigt.«
Rikka schnitt eine Grimasse. »Warum sollte jemand so etwas tun?«
Verna warf in einer verzweifelten Geste die Hände in die Luft. »Genau weiß ich das auch nicht. Um sein Opfer zu beherrschen, vielleicht. Die Veränderung der mit der Gabe Gesegneten ist eine von alters her übliche Praxis. Man veränderte mit der Gabe Gesegnete mit Hilfe von Magie, um sie einem bestimmten Verwendungszweck anzupassen. Mit subtraktiver Magie entfernte man bestimmte unerwünschte Eigenschaften, ehe man anschließend, mit Hilfe additiver Magie, ein bestimmtes erwünschtes Wesensmerkmal hinzufügte oder hervorhob. Auf diese Weise entstanden damals Ungeheuer in Menschengestalt.
Ich bin auf diesem Gebiet nicht sonderlich bewandert, aber nach meiner Ernennung zur Prälatin hatte ich Zugang zu Büchern, die ich nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte. Dort fand ich auch den Verweis auf die Schleifer. Sie wurden benutzt, um in das Wesen einer Person hineinzuschlüpfen und sie ihres innersten Kerns zu berauben - ihres Geistes, ihrer Seele.
Die Verwandlung von Personen mit dem Ziel, Schleifer zu erschaffen, ist eine lange ausgestorbene Kunst. Ich fürchte, mit meinen Kenntnissen zu diesem Thema ist es nicht weit her. Ich meine aber gelesen zu haben, daß diese Schleifer genannten Geschöpfe damals ungemein gefährlich waren.«
»Eine lange ausgestorbene Kunst«, murmelte der General. Er sah aus, als bereitete es ihm größte Mühe, sich zu beherrschen. »Die damaligen Zauberer schufen also Waffen wie diesen Schleifer, aber wieso war Jagang dazu imstande? Er ist kein Zauberer. Könnte es sein, daß er ganz einfach lügt?«
Verna ließ sich die Frage einen Moment durch den Kopf gehen. »Er verfügt über mit der Gabe Gesegnete, die seiner unmittelbaren Befehlsgewalt unterliegen. Einige von ihnen sind imstande, Magie aus der Unterwelt zu gebrauchen. Wie gesagt, meine Kenntnisse auf diesem Gebiet sind begrenzt, doch vermutlich ist es möglich, daß er dazu imstande war.«
»Aber wie?«, hakte der General nach. »Wieso konnte Jagang so etwas tun? Er ist nicht einmal ein Zauberer.«
Verna verschränkte die Hände vor dem Körper. »Er hat Schwestern des Lichts und der Finsternis in seiner Gewalt. Damit hat er, theoretisch, alles, was er braucht. Zudem ist er ein geschichtlich interessierter Mann. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, daß er großen Wert auf Bücher legt. Er besitzt eine umfassende und ziemlich wertvolle Sammlung, ein Umstand, der den Propheten Nathan mit großer Sorge erfüllte, weswegen er eine Unmenge wichtiger Folianten vernichtete, ehe sie Jagang in die Hände fallen konnten.
Nichtsdestoweniger besitzt der Kaiser noch zahllose andere Bücher und hat jetzt, nach der Eroberung der Burg der Zauberer, Zugriff auf bedeutende Bibliotheken. Überdies sind diese Bücher gefährlich, sonst wären sie schließlich gar nicht erst in der Burg der Zauberer weggesperrt worden.«
»Und nun kann Jagang frei über sie verfügen.« General Meiffert fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, dann packte er die Lehne des vor dem kleinen Schreibtisch stehenden Stuhls mit beiden Händen, um sich darauf abzustützen. »Was meint Ihr, stimmt es, daß er Zedd und Adie in seiner Gewalt hat?«
Die Frage war der verzweifelte Versuch, sich einen letzten Hoffnungsschimmer zu bewahren. Verna schluckte trocken, während sie sorgfältig
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