Das Reich des dunklen Herrschers - 8
aber die Männer neigten tatsächlich stark dazu, die Schultern hochzuziehen. Er wollte auf jeden Fall vermeiden, aufzufallen. Wenn er nicht den Verdacht der Soldaten erregen wollte, mußte er mit der Menge verschmelzen. Er beugte den Oberkörper ein wenig vor.
»Etwa so?«
Jennsen verzog kritisch den Mund. »Kaum ein Unterschied.«
»Aber ich stehe doch schon vornübergebeugt.«
»Lord Rahl«, sagte Cara in mildem Ton und warf ihm einen viel sagenden Blick zu, »vielleicht erinnert Ihr Euch noch, wie es war hinter Denna herzugehen, als sie die Kette zu Eurem Halsring in Händen hielt. Versucht es einmal damit.«
Richard sah sie aus halb zusammengekniffenen Augen an. Sich selbst plötzlich wieder vor seinem inneren Auge als Gefangenen der MordSith zu sehen, war wie ein Schlag ins Gesicht. Er verzichtete jedoch auf eine passende Erwiderung und fügte sich, die Lippen fest aufeinander gepreßt, mit einem knappen Nicken. Die Erinnerung an diese entsagungsvolle Zeit war so deprimierend, daß er keine Mühe haben würde, sich mit ihrer Hilfe in seine Rolle zu versetzen.
»Wir sollten jetzt besser aufbrechen«, sagte Anson. »Sobald die Sonne hinter den Bergen versinkt, wird es hier rasch dunkel.« Er zögerte kurz, ehe er hinzufügte: »Lord Rahl, die Soldaten der Imperialen Ordnung kennen Euch nicht - was ich meine, ist, sie werden möglicherweise nicht merken, daß Ihr nicht aus dem Ort seid. Aber unsere Leute tragen keine Waffen. Wenn sie das Messer sehen, werden sie wissen, daß Ihr nicht aus unserem Ort seid und Alarm schlagen.«
Richard schlug seine Jacke zurück und betrachtete das Messer. »Du hast recht.« Er lockerte seinen Gürtel, streifte die Scheide mit dem Messer darin ab und reichte sie Cara zur Aufbewahrung.
Zum Abschied legte er Kahlan kurz die Hand an die Wange; sie ergriff sie mit beiden Händen und drückte ihm einen flüchtigen Kuß auf den Handrücken.
Den Männern war Kahlans zärtliche Geste nicht entgangen, was Richard jedoch keineswegs peinlich war. Sie sollten ruhig wissen, daß andere sich in wichtigen, menschlichen Verhaltensweisen nicht von ihnen unterschieden. Genau dafür kämpften sie schließlich - für die Chance auf ein menschenwürdiges Dasein, zu lieben und seine Lieben in Ehren zu halten, und für ein selbstbestimmtes Leben.
Das Licht schwand rasch, während Richard und Anson sich einen Weg durch den Wald bahnten und schließlich an Feldern voller wilder Gräser entlanghasteten. Richard wollte sich bis zu der Stelle vorarbeiten, wo der Wald näher an die in den Gärten unkrautjätenden und das Vieh versorgenden Landarbeiter heranreichte. Wegen der hohen Berge im Westen ging die Sonne lange vor der eigentlichen Abenddämmerung in ihrem Rücken unter, so daß der Himmel eine tiefe blaugrüne Farbe annahm und das Tal selbst in ein seltsam güldenes Dämmerlicht getaucht wurde.
Als Richard und Anson die Stelle erreichten, wo sie den Wald verlassen wollten, war es noch immer ein wenig zu hell, so daß sie einen Augenblick warteten, bis das schwindende Licht über den Feldern düster genug war, um ihnen Deckung zu geben. Die Ortschaft lag noch ein gutes Stück entfernt, und da Richard draußen vor den Toren niemanden erkennen konnte, nahm er an, daß Soldaten, die in ihre Richtung blickten, ihn ebenso wenig sehen konnten.
Schließlich hasteten sie in geduckter Haltung und immer in Deckung über das mit wilden Gräsern bewachsene Feld; Anson deutete nach vorn. »Die Männer dort sind auf dem Weg zurück in den Ort; wir sollten uns ihnen anschließen.«
Mit leiser Stimme sagte Richard über die Schulter: »Einverstanden, aber vergiß nicht, wir dürfen ihnen nicht zu nahe kommen, sonst erkennen sie dich womöglich wieder und machen unnötigen Lärm. Wir lassen sie ein gutes Stück vorausgehen.«
Als sie den Ortswall erreichten, sah Richard, daß das Tor nur aus zwei Teilen des Palisadenzauns bestand. Die Torflügel waren mit zwei an der Vorderseite befestigten Querstangen, nicht dicker als Richards Handgelenk, versteift worden. Die Stricke, mit denen die Querstangen zusammengehalten wurden, dienten gleichzeitig als Angeln. Beide Teile des Palisadenzauns wurden einfach angehoben und zum Öffnen oder Schließen zur Seite geschwenkt. Alles andere als eine sichere Befestigung.
Im trüben Licht der Abenddämmerung konnten die beiden Posten, die unmittelbar innerhalb des Tores auf und ab gingen und die rückkehrenden Feldarbeiter mißtrauisch musterten, kaum etwas von Richard und
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