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Das Reich in der Tiefe

Das Reich in der Tiefe

Titel: Das Reich in der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Koch
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erlebte, doch aus Büchern und Filmen kannte.
    Klaus schnupperte in der Luft, ein Rest süßlich betäubenden Geruchs hing im Zimmer. Er stieß die Läden auf, im helleren Licht blinkte ein kleiner Scherben dünnen Glases auf dem Fußboden. Er hob ihn auf und betrachtete ihn kopfschüttelnd. Mühsam tastete sich seine Erinnerung wieder an die Ereignisse des gestrigen Tages heran. Hatte nicht der Sprachlehrer nach der Audienz bei der Königlichen Familie gedroht, ihn nicht mehr zu unterrichten? Er hatte es wahrgemacht, denn eben schlug die Mittagsglocke zwei Schläge. Es war ihm nur recht, so konnte er sich heute ungestört ausschlafen. Er würde sich jetzt zu essen bringen lassen, sich dann wieder niederlegen, denn er fühlte sich ungewöhnlich zerschlagen.
    Nach dem Essen baute Erichsen eine Stuhlbarrikade vor die Tür, denn durch das Glasstückchen auf dem Fußboden gewann er die Überzeugung, daß jemand in seinem Zimmer gewesen sei, während er schlief.
    Klaus wußte nicht, wie lange sein Schlummer gedauert hatte, als er von einem Geräusch hochschreckte, in seine knappe Bekleidung schlüpfte und die Eingangstür untersuchte – nichts hatte sich verändert! Doch beim Umwenden sah er zu seinem heftigen Schreck eine Gestalt mitten im Zimmer und erkannte im matten Schein, welcher durch die geschlossenen Läden fiel, die junge Prinzessin, die seine Gedanken gestern nachhaltig beschäftigt hatte.
    „Sind Sie es, Prinzessin, oder träume ich?“
    Die Gestalt legte den Finger auf den Mund, um auszudrücken, daß er leiser sprechen solle.
    „Wie sind Sie hereingekommen, die Tür ist doch zugesperrt?“ flüsterte er. Statt einer Antwort fühlte er seine Hand ergriffen und sich ins Nebenzimmer gezogen, dort stand eine Tür offen, die Klaus noch nie bemerkt hatte, weil sie sich fugenlos in die hölzerne Wandbekleidung einpaßte. Der Türgriff war außen, eine schmale Wendeltreppe führte in die Tiefe.
    „Wir spielten hier als Kinder und entdeckten diesen Geheimgang. Er muß aus sehr alter Zeit stammen. Ich kam, um zu warnen. Bald werden Sie vor den Hohen Rat und vor meinen Onkel geführt werden. Sprechen Sie nicht wieder dieselben Dinge wie vorgestern. Sagen Sie, daß Sie verwirrt waren, sich falsch ausdrückten.“
    „Aber weshalb sollte ich nicht die Wahrheit reden?“
    „Weil Ihre Zukunft davon abhängt. Irgend etwas ist inzwischen geschehen, mit Ihnen und Ihretwegen, ich entnahm es aus den Gesprächen bei Tisch. Reden Sie wieder dasselbe, so wird man Sie in ein Heim für Geisteskranke einsperren.“
    Klaus ließ sich auf einen Sessel nieder, überwältigt davon, daß eine Enkelin des Königs dies für ihn wagte, und fand erst nach geraumer Zeit Antwort. „Warum nehmen Sie soviel Anteil an meinem Geschick, Prinzessin?“
    Sie trat nahe an ihn heran und streichelte mit einer Hand sein Haar: „Weil Sie mir gefallen!“
    „Sie mögen recht haben!“ gestand Klaus zögernd zu. „Vielleicht habe ich Fehler begangen!“
    „Sie haben damit nur erreicht, daß mein Onkel, der Kronprinz, und einige andere, die Ihnen freundlich gesinnt waren, jetzt vor den Kopf gestoßen sind. Vorgestern lachte die ganze Versammlung deswegen über Sie.“
    „Nur Sie nicht, Prinzessin, ich habe es genau gesehen!“
    „Ich fürchte mich. Wenn es wahr wäre, was Sie redeten, dann müssen Sie aus einer schrecklichen Welt stammen. Die Zahlen, die Sie nannten, waren ein Alpdruck. In eurem riesigen Kosmos wäre der Einzelmensch weniger als ein Nichts!“
    „Fast wörtlich dasselbe sagte mir neulich der Arzt der Erdexpedition. Scheinbar habe ich wenig Geschick, meine Welt richtig zu schildern, wenn jeder von euch durch meine Beschreibung Entsetzen davor bekommt. Die Schatten sind dunkler bei uns, aber das Licht ist heller. Es gibt herrliche Dinge, mit denen sich hier nichts vergleichen läßt.“
    „Sie machen mich neugierig. Erzählen Sie mir davon, es soll unser Geheimnis bleiben.“
    „Ich will ein solches Bild von meiner Welt entwerfen, daß ich Sie nicht wieder erschrecke!“ versprach er und berichtete von Tag und Nacht, von der weißglühenden Himmelsscheibe, die man Sonne nennt, vom gelben Mond und den Feuerfunken der Sterne, von blauem Himmel und bewegter See. Sie horchte mit offenen Augen. „Das alles will ich noch viel genauer wissen!“ flüsterte sie zum Abschied. „Morgen komme ich um dieselbe Stunde!“
    Wirklich war sie in der nächsten Schlafzeit wieder da und in der übernächsten. Klaus bangte, daß man sie

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