Das Reich in der Tiefe
überraschen könnte. Toxa – das war ihr Name – hatte weit weniger Angst als er selbst und wußte offenbar genau, was sie wagen konnte.
Es war ein Traum von fünf Tagen Dauer, und niemand störte die beiden, niemand entdeckte das Geheimnis ihrer gegenseitigen Liebe.
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Am sechsten Tag nach der Audienz wurde Erichsen gerade zu der Zeit, als draußen ein Elf-Tage-Gewitter mit Donner, Blitz und wenig Regen niederging, in die Sitzung des Hohen Rates geholt. Die einundzwanzig Vertreter der drei obersten Kasten waren schon auf ihren Plätzen. Abseits saßen Rocco und der Expeditionsarzt, welche man vermutlich als Sachverständige geladen hatte. Aller Augen waren auf den Eintretenden gerichtet. Klaus verbeugte sich und nahm auf dem Sessel in der Mitte Platz.
Bis zu diesem Augenblick war Erichsen mit sich selbst noch nicht im reinen, ob er widerrufen sollte oder trotzig bestätigen, was er neulich der Familie des Königs berichtete und wofür er einen Heiterkeitsausbruch erzielte.
Die schwüle Stille wurde dadurch gebrochen, daß alle sich erhoben und verbeugten: Ayor Tupac, der Thronfolger, war eingetreten. Sarasola ging zum Rednertisch. Klaus hörte die Frage des Hohenpriesters:
„Vor Seiner Majestät und der Königlichen Familie hast du neulich gewisse Behauptungen über die Beschaffenheit deiner heimatlichen Höhle und das Leben darin aufgestellt. Du wolltest sie vor dem Hohen Rat wiederholen und noch ergänzen. Erinnerst du dich?“
„Nein, ich entsinne mich nicht!“ Eine Welle von Unruhe lief durch die Versammlung.
„Aber du hattest doch behauptet, du seiest kein Fischer!“
„Das ist richtig, und ich weiß auch, daß ich mit wissenschaftlichen und technischen Arbeiten beschäftigt war, aber es ist mir unmöglich, etwas Genaues darüber anzugeben. Seit meinem Sturz kann ich mich auf nichts mehr besinnen. Manchmal blitzt etwas auf und dann behalte ich es wieder im Gedächtnis!“
„Du hast aber neulich ganz exakte Behauptungen aufgestellt, über Verkehrsmittel, Städte und die Zahl der Bewohner eurer Welt.“
„Ich glaube jetzt eher, nein, ich bin ganz sicher, daß ich Träume aus der Zeit meiner Krankheit mit der Wirklichkeit verwechselte. Je mehr meine Gesundung fortschreitet, um so besser bekomme ich mich wieder unter Kontrolle.“
„Du kannst also über die Beschaffenheit eurer Höhle nichts aussagen, oder willst du es nicht?“
„Ich möchte gern, aber wenn ich es versuche, dann ist ein Loch da, ein Nichts. Ich habe jetzt keinen anderen Wunsch mehr, als hierzubleiben, ein guter Bürger von Cheti zu werden, meine Kenntnisse auf technisch-wissenschaftlichem Gebiet in den Dienst des Königs und Volkes von Cheti zu stellen.“
Sarasolas Augen suchten die des Thronfolgers, der nun eingriff:
„Du wirst auch anderen nicht mehr solche Dinge erzählen, wie neulich der versammelten königlichen Familie?“
„Ich werde mich hüten!“
„Dann ist es gut, du kannst jetzt gehen!“
Die Wachen brachten Klaus wieder in sein Turmzimmer.
* *
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Auch Rocco und der Arzt wurden hinausgeschickt, ehe die Sitzung in nunmehr ganz internem Kreis weiterging. Sarasola erhob sich:
„Königliche Hoheit, Eure Exzellenzen! Gestatten Sie mir, das Wort zu der Frage weiterer Expeditionen an die Oberwelt zu ergreifen. Wir alle sind in der Überzeugung aufgewachsen, daß die Chetihöhle der einzige Ort im Kosmos ist, der von hoch-intelligenten Wesen bewohnt wird. Diese Annahme wurde nie in Frage gestellt, bis vor einigen Monaten die Expedition Rocco den jungen Fremden mitbrachte. Man kann wohl behaupten, daß es das aufrüttelndste Ereignis unserer Zeitepoche war. Zuerst schien sich dadurch an unserem Weltbild nichts zu ändern. Der Expeditionsleiter selbst betonte in seinem Bericht, die große kalte Nachbarhöhle könne höchstens von ein paar primitiven Stämmen bewohnt sein, die sich kümmerlich von Fischfang ernähren.
Dann machte der Fremde sonderbare Bemerkungen gegenüber Professor Simad, die sich kaum mehr damit abtun ließen, daß er in geistiger Verwirrung redete. So faßte ich den Entschluß, den Mann im Schlaf zu befragen, um aus dem Zeugnis seines Unterbewußtseins, welches nicht verfälscht werden kann, mehr über seine merkwürdige Welt zu erfahren.
Gewiß war dies unkorrekt gehandelt, und noch schwerer war es zu verantworten, daß ich acht Herren aus Ihrem Kreis vor wenigen Tagen zum Tempel der
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