Das Reisebureau Thompson und Comp.
schiffte er sich an der Spitze seiner zusammengeschmolzenen Phalanx ein, um den Vorsitz an der Frühstückstafel einzunehmen.
Bald genug mußte er jedoch sehen und hören lernen.
An dem langweiligen, auf der Reede verbrachten Tage war unter den Widerspenstigen ein Komplott geschmiedet worden, und als der General-Unternehmer den Dampfer wieder betrat, konnte er nicht verkennen, daß unter den seiner Hut anvertrauten, sonst so friedliebenden Touristen eine gewisse Gärung herrschte. Hier lag entschieden ein Aufruhr in der Luft.
Am Morgen des 1. Juni, als sich denen, die darauf bestanden, die »Seamew« hier ferner nicht mehr zu verlassen, auch die übrigen angeschlossen hatten, kam dieser zum Ausbruch. Sie waren ebenso empört, ebenso wütend über die langweiligen zehn Stunden, die sie nun zum dritten Male mit dem einfältigen Umherirren in den Straßen Funchals hingebracht hatten, und auch fest entschlossen, diese Dummheit nicht zu wiederholen.
Als nun am 1. Juni die Zeit zur Überführung nach dem Lande gekommen war, sah sich Thompson infolgedessen allein an der Bordwandöffnung. Doch nein, nicht ganz allein: ein Getreuer war ihm geblieben, und zwar in Gestalt Van Piperbooms aus Rotterdam, dessen Ohr ja für jede von außen kommende Aufwiegelung geschlossen war.
Auf den blieb die revolutionäre Propaganda ohne Wirkung. Er versteifte sich unveränderlich darauf, den Schritten des einzigen zu folgen, dessen offiziellen Charakter er kannte, und Thompson wurde so langsam zum Kornak dieses Elefanten unter den Passagieren.
In den letzten drei Tagen hatte ihn Piperboom nicht eine Minute verlassen. Wohin Thompson ging, war er ihm ohne Bedenken gefolgt. Und jetzt hatte er sich auch eingestellt, der letzte Anhänger des von seinen Soldaten verlassenen Anführers.
Als er »sein Gefolge« auf diese einzige Einheit zusammengeschrumpft sah, war sich Thompson, trotz seiner gewöhnlich so sichern Haltung, doch darüber etwas unklar, ob er vom Dampfer wegfahren sollte oder nicht. Ja, was war hier zu tun? Er glaubte, Hamilton und Saunders sich zurufen zu hören: »Das Programm, Herr, das Programm!« und dem vermeintlichen Befehle der strengen Kritiker gehorchend, betrat er schon die erste Stufe der Treppe an der äußern Schiffswand, als sich unter den auf dem Spardeck versammelten Passagieren ein bedrohlicher Lärm erhob.
Unentschieden blieb Thompson noch einmal stehen. Im nächsten Augenblicke umringten ihn zwanzig wütende Gesichter.
Einer der Passagiere machte sich zum Sprecher seiner Gefährten.
»Sie wollen also, mein Herr, sagte er, noch bemüht, seine Ruhe zu bewahren, Sie wollen also auch heute nach Funchal gehen?
– Ja gewiß, lieber Herr, antwortete Thompson mit der unschuldigsten Miene von der Welt.
– Und morgen? Und übermorgen?
– Wird dasselbe geschehen.
– Nun, mein Herr, erklärte ihm der Passagier mit unwillkürlich verstärkter Stimme, so erlaube ich mir, Ihnen ins Gesicht zu sagen, daß wir das sehr eintönig, sehr langweilig finden.
– Wäre es möglich? rief Thompson mit reizender Naivität.
– Ja gewiß, mein Herr! Eintönig im höchsten Grade! Man zwingt verständige Menschen nicht, eine Stadt wie Funchal sechs Tage hintereinander zu besuchen. Wir hatten auf weitre Spaziergänge, auf Ausflüge gerechnet.
– Aber ich bitte Sie, mein Herr, verteidigte sich Thompson, davon steht doch nichts im Programm.«
Der Sprecher holte mühsam Atem, wie einer, der sich zwingt, seinen Zorn zu bemeistern.
»Das ist wohl wahr, fuhr er fort, doch die Gründe dazu begreifen wir nicht. Wollen Sie uns nicht wenigstens sagen, warum für Madeira nicht ähnliche Veranstaltungen getroffen sind wie für die Azoren?«
Der eigentliche Grund dafür lag nun darin, daß sich die Preise gleichmäßig mit den Sitten der Menschen »zivilisieren«. Thompson fürchtete die Unkosten eines größern Ausfluges in dem von den Engländern verdorbenen Lande. Das konnte er den Reisenden doch unmöglich zugestehen.
»O, sehr einfach, erwiderte er, und nahm dabei sein verbindlichstes Lächeln zu Hilfe, die Agentur hat geglaubt, daß die Passagiere nicht böse darüber sein würden, von dem ungewohnten Marschieren in Reih und Glied einmal ausruhen zu können, und daß sie auf eigne Faust Ausflüge veranstalten würden was sich ja hier, wo die englische Sprache so verbreitet ist, um so leichter ausführen läßt, daß…
– Genug, da hat sich die Agentur geirrt, unterbrach ihn kurz angebunden der Wortführer des Spardeckes,
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