Das Reisebureau Thompson und Comp.
süßen Morgenschlummer im Bettuche noch verspätet hatten, erschienen vor den Türen oder an den Fenstern. Zu diesen gehörte auch der zeremoniöse Luiz Monteiro. Vornehm nachlässig in einen weiten Mantel gehüllt und in würdevoller Haltung an die Bekleidung seiner Tür gelehnt, sah er die lange Reihe der Touristen vorüberziehen, ohne daß die geringste Bewegung äußerlich verriet, was dabei in seinem Innern vorging. In einem gewissen Augenblick schien sich dieses Muster der gesellschaftlichen Sitte aber zu beleben, Monteiros Blick leuchtete auf: Sir Hamilton kam unweit von ihm vorüber.
Obgleich der Baronet der Unterstützung durch sein Lorgnon beraubt war, hatte er doch das Glück, seinen unbeugsamen Lehrer der Höflichkeit zu erkennen, und den Tod im Herzen markierte er einen an diesen gerichteten Gruß. Den erwiderte der stolze Luiz Monteiro damit, daß er sich bis zur Erde verneigte, und dann verschwand er sofort in seinem Laden. Jetzt friedlich gestimmt, wollte er jedenfalls gleich die versprochene Reparatur ausführen.
Die Gesellschaft erreichte bald die Stelle, wo die Hauptstraße in zwei Zweige ausläuft. Die Spitze der Kolonne schwenkte eben in den zur Rechten ein, als ein Aufschrei ertönte, dem ein Stampfen mit den Füßen und verworrene Ausrufe folgten. Alle hielten auf der Stelle an und Thompson eilte an der Reihe zurück nach dem Schauplatze der Ursache dieser Störung.
Da lagen aus einem der letzten Glieder zwei Körper auf dem unebnen Pflaster. Der eine der eines Maultieres und der andre – fast ebenso umfängliche – der Van Piperbooms – aus Rotterdam.
Dieser wenigstens war unverletzt. Thompson sah, wie er sich gemächlich erhob und mit trauriger Miene sein unglückliches Reittier betrachtete. Der azorische Maulesel, im Grunde ein recht tüchtiges Tier, war am Ende seiner Kräfte. Dieses Ende hatte Van Piperboom herbeigeführt: infolge des Platzens einer Ader oder aus irgendwelchem andern Grunde war sein Maultier gestorben und richtete sich nicht mehr auf.
Die Bekundung dieser Tatsache ging nicht ohne einen lauten Spektakel ab. Zehn Minuten verstrichen unter dem Lachen der Touristen und den Ausrufen der Treiber, ehe der Tod des Maultieres offiziell anerkannt wurde. Nun galt es, hier einen Ersatz zu finden, wo doch jedes andre Maultier von demselben Schicksal bedroht erschien.
»Ach was, zum Teufel, rief Thompson ungeduldig, wir können doch hier nicht bis zum Abend angenagelt stehen bleiben! Wenn ein einziges Maultier nicht genügt, sapperment, so nehme man zwei solche!«
Als der Treiber den von Morgan getreu übersetzten Vorschlag vernahm, schlug er sich, wie wenn ihm eine Eingebung gekommen wäre, vor die Stirne und verschwand eiligst die Straße hinunter. Wenige Minuten darauf sah man ihn wieder erscheinen, jetzt aber mit drei seiner Kollegen, die mit ihm vier Maulesel führten. Ein seltsames Gestell aus zwei in der Mitte durch Gurte in der Weise verbundenen Stangen, daß das Ganze einen bequemen Sitz bildete, hielt je zwei der Tiere hintereinander zusammen. Unter dem Hallo seiner Reisegenossen wurde Piperboom mit großer Anstrengung in den einen von diesen improvisierten Tragstühlen gehißt, und dann konnte die Karawane ihren Weg endlich fortsetzen.
Auf Veranlassung Thompsons fragte jedoch Morgan noch vorher, wozu die andern beiden miteinander verbundenen Maultiere da wären, die doch unbenutzt mitlaufen würden. Der betreffende Treiber maß mit den Augen die Befürchtungen erweckende Masse des dicken Holländers.
»Ein Relais!« erklärte er trocken.
So schnell man auch allen Folgen des Zwischenfalles abgeholfen hatte, war es doch neun Uhr geworden, ehe die Kolonne weiterzog. Thompson empfahl deshalb dem an der Spitze marschierenden Treiber, sich möglichst zu beeilen. Es war wirklich keine Zeit mehr zu verlieren, wenn man noch vor Anbruch der Nacht hin und zurück die achtzehn Kilometer lange Wegstrecke zurücklegen wollte, die die Caldeira von Horta trennte. Der Treiber schüttelte jedoch den Kopf in wenig versprechender Weise, und die Maultiere trotteten um keinen Schritt schneller dahin. Robert Morgan beruhigte den ungeduldigen Thompson so gut er konnte, indem er ihm erklärte, daß man sich stets vergeblich bemühen würde, die gewohnte Gangart eines azorischen Maulesels zu beschleunigen; das wären nun einmal gemächliche Tiere, und man würde durch übermäßiges Antreiben auf den beschwerlichen Wegen, die bald zu passieren wären, nur die Sicherheit ihres Ganges
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