Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Reisebureau Thompson und Comp.

Das Reisebureau Thompson und Comp.

Titel: Das Reisebureau Thompson und Comp. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Verne
Vom Netzwerk:
dickflüssigen Wein des Landes leichter trinkbar zu machen.
    Andre bäuerische Diener legten jedem Tischgaste Brotstücke hin, die bei ihrer kolossalen Größe auch dem robustesten Magen einen gelinden Schrecken einjagen mußten.
    »Das hiesige Landbrot, erklärte Morgan als Antwort auf einen Ausruf Alicens. Jeder Bauer hier verzehrt davon täglich mindestens zwei Pfund. Eins ihrer Sprichwörter lautet: ›Grobes Brot macht gesund und Wangen rot.‹«
    Es blieb freilich zweifelhaft, ob die europäischen Magen eine ebensogroße Kapazität haben würden. Alle Reisenden verzogen auch das Gesicht, wenn sie die Zähne in die aus Maismehl hergestellte, zähe und grobe Masse einsenkten.
    Die Geschwister Lindsay und ihre Tischgenossen fanden sich in heitrer Laune mit der ungewöhnlichen Mahlzeit ab. Der dank den nebeneinander ausgebreiteten Servietten ganz weiß bedeckte Tisch verlieh dem Abenteuer fast das Aussehen eines ländlichen Festes, bei dem man dem jugendlichen Übermute die Zügel schießen ließ. Morgan vergaß völlig, daß er hier nur der Dolmetscher der »Seamew« war. Für eine Stunde wurde er wieder ein Mensch wie die andern, und er zeigte sich auch ganz wie er war, d. h. liebenswürdig und von anregendem Frohsinn. Doch während er unbewußterweise die Bürde seiner Stellung einmal abschüttelte, ließ ihn diese leider nicht frei. Eine an sich unbedeutende Sache rief ihn zur Wirklichkeit zurück.
    Dem Ragout war ein Salat gefolgt. Jetzt war aber wirklich nicht der Augenblick, sich wählerisch zu zeigen, dann trotz des scharfen Essigs, womit er reichlich angemacht war, veranlaßte der entsetzliche Salat doch alle, die ihn kosteten, laut aufzuschreien. Morgan mußte da, auf Thompsons Veranlassung, den Bauer darüber fragen.
    »Das sind Lupinen, Exzellenz, antwortete dieser.
    – Mag sein, sagte dazu Morgan, aber lederhart sind Eure Lupinen.
    – Lederhart? wiederholte der Bauer.
    – Ja, hart und zähe wie Sohlenleder.
    – Na… ich weiß nicht, erwiderte der stumpfsinnig aussehende Eingeborne, mir kommen sie nicht hart vor.
    – Was? Die finden Sie nicht hart, und derb gesalzen wohl auch nicht?
    – Ah, gesalzen, ja, gesalzen sind sie. Das kommt vom Seewasser, Exzellenz; die Lupinen werden zu lange darin gelegen haben.
    – Nun gut, sagte Robert. Doch warum haben Sie diese Lupinen erst ins Meer versenkt?
    – Um ihnen ihre Bitterkeit zu nehmen, Exzellenz.
    – Na, lieber Freund, da bedaure ich, Ihnen sagen zu müssen, daß die Bitterkeit auch jetzt noch zurückgeblieben ist.
    – Dann werden sie, meinte der Bauer,… ja, dann werden sie wohl in der See nicht lange genug eingeweicht worden sein.«
    Aus dem Bauerntölpel war offenbar nichts Gescheites herauszulocken. Es blieb nichts andres übrig, als mit dem Gebotenen schweigend vorlieb zu nehmen. Die Reisenden fielen also über das Maisbrot her, dessen vorhandne Menge mehr als ein britischer Magen, entgegen der ersten Vermutung, für unzureichend fand.
    Morgan machte es wie die andern. Sein Frohsinn aber war verschwunden und er nahm auch nicht wieder an dem heitern Tische Platz. Allein sitzend, verzehrte er seine Mahlzeit und in bescheidner Zurückhaltung, aus der er einen Augenblick herausgetreten zu sein jetzt schon bedauerte.
    Ungefähr ein viertel fünf Uhr setzte sich die Karawane wieder in Bewegung. Da die Zeit nun drängte, mußten die Maultiere sich um jeden Preis zu schnellerm Ausschreiten bequemen. Der Abstieg längs des Serpentinenweges gestaltete sich recht lebhaft. Am Schwanze ihrer Tiere anpackend, ließen sich die Treiber den steilen und zuweilen schlüpfrigen Abhang mehr hinunterschleppen. Die Frauen, und selbst die Männer, gaben manchmal einen ängstlichen Ausruf von sich. Nur Piperboom zeigte wie immer noch eine heitre Stirn. Nachdem er, ohne ein Zeichen übeln Bekommens, eine ungeheure Menge Lupinensalat gegessen hatte, ließ er sich gemütsruhig von seinen zwei Trageseln schaukeln. Auf seinem bequemen Sitze verachtete er die Schwierigkeiten des Weges, und friedfertig umhüllte er sich mit der ewigen Rauchwolke, durch die er sich einer fortdauernden Ruhe erfreute.
    In der Straße von Horta beeilte sich Hamilton, begleitet von Robert Morgan, sein Lorgnon in Empfang zu nehmen, das ihm jetzt mit den gesuchtesten, von ihm aber nicht erwiderten Höflichkeitsbezeigungen übergeben wurde. Nach Befriedigung seiner Wünsche verfiel er sofort wieder seiner natürlichen Überhebung.
    Nachdem die Maulesel bezahlt und heimgeschickt waren, fanden sich

Weitere Kostenlose Bücher