Das Reisebureau Thompson und Comp.
eingehalten hatte. Immerhin war die Achtung vor der Disziplin bei diesen etwas phlegmatischen Engländern noch so groß, daß es keiner von ihnen gleich von Anfang an wagte, sie gänzlich aus den Augen zu setzen; eine gewisse Lässigkeit trat aber doch deutlich genug zutage. Die Glieder zogen sich unregelmäßig auseinander und zählten verschiedentlich auch mehr Personen, die dann an andern fehlten. Es gab auch einzelne Nachzügler. Thompson bemerkte es und seufzte still für sich.
Am Rande des Wassers angekommen, erwartete die Touristen eine unangenehme Überraschung. Auf dem Kai drängte sich eine zahlreiche Menge, aus deren Mitte gereizte Ausrufe hörbar wurden. Drohend fuchtelten nicht wenige Fäuste über den Köpfen des Volkes in der Luft umher. Offenbar standen sich hier zwei Parteien gegenüber, die sich vorläufig beleidigende Redensarten an den Kopf warfen, aber beide bereit waren, zu Handgreiflichkeiten überzugehen. Es sah wirklich aus wie eine neue Auflage des Aufstandes von Terceira.
Thompson war, die Touristenschar hinter ihm, unentschlossen stehen geblieben. Durch die Menschenmenge, die jeden Zugang versperrte, konnte man nicht zu den Booten gelangen. Nun gab es hier zwar noch landesübliche Boote und diese auch in ausreichender Zahl, was dazu aber fehlte, waren die Ruderer und Führer. Rings um die Touristen keine Seele. Alle schoben und drängten sich gegenüber der »Seamew« zusammen, scheinbar nahe daran, einen seiner Ursache nach unbekannten Streit auszufechten.
Plötzlich stieß Thompson einen Schrei aus. Sechs Boote waren vom Kai abgefahren, und begleitet vom Geheul der Menge, glitten sie, von kräftigen Ruderschlägen getrieben, in zwei Gruppen, je drei die andern verfolgend, hinaus. Man erkannte klar, daß sie sich auf die »Seamew« zu bewegten, und nach der auf Terceira mit der Gewalttätigkeit der Azorenbewohner gemachten Erfahrung konnte man ernstlich um den Dampfer besorgt sein. Höchst aufgeregt, ging Thompson auf dem Kai ein Stück hin und her.
Endlich kam er zu einer Entscheidung. Er zog eins der zunächstliegenden Boote heran und sprang entschlossen, Morgan mit sich schleppend, hinein. Roger und die Lindsays folgten ihm freiwillig nach. Sofort wurde das Halteseil losgeworfen, der kleine Anker eingezogen, und unter dem Druck von vier Riemen schoß das Boot auf das bedrohte Schiff zu.
Durch dieses Beispiel angefeuert, beeilten sich die andern Passagiere, es nachzuahmen. Schnell füllten sich verschiedene Boote, die Männer packten die ja den meisten Engländern vertrauten Riemen, und fünf Minuten später glitt eine kleine Flottille unter taktmäßigen Ruderschlägen über das Wasser des Hafens hin.
Als Thompson die »Seamew« erreichte, war er schon wieder etwas ruhiger. Die sechs verdächtigen Boote gehörten augenscheinlich zwei einander feindlichen Parteien an, und ihr Antagonismus gewährte den »Belagerten« eine unerwartete Hilfe. Allemal wenn eines davon eine Bewegung nach vorwärts machen wollte, legte sich ihm eins von der andern Partei quer in den Weg und verhinderte damit jede Annäherung an die Schiffstreppe, die übrigens von einem Dutzend Matrosen bewacht wurde.
»Was ist denn hier los, Kapitän? fragte Thompson, als er atemlos auf das Deck sprang.
– Ja, das weiß ich selbst nicht, Herr Thompson, antwortete Pip phlegmatisch.
– Wie, Kapitän, Sie wissen nicht, was eine solche Ruhestörung veranlaßt haben kann?
– Ich habe davon keine Ahnung. Ich befand mich in meiner Kammer, als Mr. Flyship zu mir mit der Meldung eintrat, es sei ein junges Mädchen an Bord gekommen und auf dem Kai sammelten sich Leute in drohender Haltung an. Ich weiß nicht, ob diese Dinge miteinander in Zusammenhang stehen, denn es ist mir unmöglich gewesen, auch nur ein Wort von dem verdammten Kauderwelsch der Kleinen zu verstehen.
– Und was haben Sie mit dem Kinde angefangen, Herr Kapitän?
– Das Mädchen befindet sich jetzt im Salon.
– Ich werde die Kleine aufsuchen, sagte Thompson mit Nachdruck, als ob er einen Weg zum Tode einschlüge. Inzwischen wachen Sie über das Schiff, Herr Kapitän; Sie sind für dessen Sicherheit verantwortlich.«
Statt aller Antwort lächelte der Kapitän sich nur verächtlich in den Bart.
Die Sachlage schien ja keineswegs kritischer Art zu sein. Die Passagiere hatten die Linie der Kriegführenden ohne Schwierigkeit passiert. Einer nach dem andern stiegen sie an Bord. Die »Seamew« konnte eine so schlecht durchgeführte Blockade lange
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