Das Reisebureau Thompson und Comp.
ihr vor Gott und der Welt zwei laute Küsse zu geben, die im Lager seiner Gegner ein noch wütenderes Geheul hervorriefen. Nach Erfüllung dieser Pflicht entspann sich zwischen den Verlobten ein lebhaftes Gespräch, worauf sich Joachimo den Passagieren zuwendete, die diesen Auftritt neugierig beobachtet hatten, und ihnen mit gewählten Worten seinen Dank aussprach für die Hilfe, die sie seiner geliebten Thargela gewähren wollten.
Morgan übersetzte getreulich seine Worte. Thompson machte dazu ein schiefes Gesicht. Welch geriebener Diplomat, dieser Bursche! Hatte der junge Mann ihm nicht angesichts der Mannschaft und der Passagiere eine gewisse ritterliche Verpflichtung auferlegt?
Joachimo setzte seine Ansprache inzwischen fort. Was Thargela gesagt hätte, wäre ganz richtig. Das Gesetz der Azoren gestattet den jungen Leuten, sich mit Hilfe der Weise, wie das junge Mädchen es getan hatte, nach eigner Wahl zu verheiraten. Es genügte dazu, die Wohnung der Eltern zu verlassen, um sich tatsächlich ihrer Autorität zu entziehen und sich unter die des Richters zu flüchten, der, wenn er dazu aufgefordert wurde, verpflichtet war, die Eheschließung zu genehmigen. Zwar kannte Joachimo den Wortlaut des betreffenden Gesetzes nicht, man könnte sich ja aber auf der Stelle zum Corregidor begeben, der die englischen Herren ebenso über den moralischen Wert der Frau Lobato aufklären würde, wie über die Rechte ihrer Pflegetochter Thargela und die ihres Verlobten, des genannten Joachimo. Wenn man etwa fragte, warum Thargela die »Seamew« als Zufluchtsstätte gewählt hätte, und nicht das Haus eines Freundes, so läge das einfach daran, daß die Armen gewöhnlich keine Freunde haben. Übrigens hätte Frau Lobato, halb eine Wahrsagerin und halb eine Pfänderwucherin, halb aus Furcht, halb aus Interesse die halbe Bevölkerung der Stadt gleichsam am Gängelbande, was ja auch die vorliegende Kundgebung ihrer Anhänger bezeugte. Auf dem Lande wäre Thargela also Gefahr gelaufen, wieder nach Hause zurückgebracht zu werden. An Bord der »Seamew« und unter dem Schutze der Flagge des edelmütigen Englands würde das nicht der Fall sein.
Damit schloß der gewandte Redner seine Worte.
Die zuletzt eingeflochtene Bemerkung hatte besondre Wirkung; der junge Azorer sah das in der veränderten Haltung Sir Hamiltons. Ohne ihn zu kennen, hatte er sich’s gerade angelegen sein lassen, diese Persönlichkeit, deren steife Haltung ihn als den unfreundlichsten aller Zuhörer verriet, für sich zu gewinnen. Unbestreitbar war Hamilton auch aufgetaut, er hatte den Schluß der Rede sogar durch ein zustimmendes Kopfnicken gebilligt.
Thompson, der noch unschlüssig war, was er tun sollte, warf einen verstohlenen Blick nach der linken und der rechten Seite.
»Was denken Sie hierüber, Kapitän? fragte er.
– Hm… weiß nicht,« gab Pip, sich bescheiden abwendend, zur Antwort.
Hinter ihm war aber der getreue Artimon auf seinem Posten.
»Du bist ja so gut wie ein englischer Gentleman, sagte er zu dem vierbeinigen alten Freunde. Würdest du in diesem Falle einer Frau deine Hilfe verweigern?
– Hm! murmelte jetzt Thompson mit einem unsichern Blicke auf die Passagiere.
– Nun wahrlich, verehrter Herr, meldete sich da Alice Lindsay, die entschlossen aus dem Kreise ihrer Gefährten hervortrat, ich meine – ohne damit Ihrer Entscheidung vorgreifen zu wollen – man könnte wenigstens tun, was dieser junge Mann vorgeschlagen hat, das heißt, den Corregidor aufsuchen, der uns sagen wird, was wir zu tun oder zu lassen haben.
– Bravo, es geschehe nach Ihrem Wunsche, Mistreß Lindsay, rief Thompson erleichtert. Die Agentur darf und wird ihren Passagieren nichts abschlagen.«
Alle stimmten freudig ein. Das junge Paar hatte offenbar die Insassen der »Seamew« erobert. Nur Hamilton schloß sich dem lauten Beifalle nicht an. Merkwürdig! Seine Haltung war, wenn sie auch korrekt blieb, plötzlich wieder eisig geworden. Da eine amerikanische Bürgerin gleichsam die Führung in dieser Angelegenheit genommen hatte, war sein Interesse dafür schnell abgekühlt. Jetzt mochte die Sache zwischen den zwei niedriger stehenden Völkern, den Portugiesen und den Amerikanern, zum Austrag gebracht werden. Das in ihm personifizierte England hatte damit nichts mehr zu tun.
»Jedenfalls, nahm Thompson weiter das Wort, kann ein solcher Schritt erst nach unserm Diner unternommen werden, denn der Zeitpunkt dafür ist schon lange versäumt. Dann werden wir wieder die
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