Das Reisebureau Thompson und Comp.
Schiff hinaus aufs hohe Meer führen. Beim Barte meiner Mutter: ein englischer Kapitän kennt kein Zurückweichen!«
In seinem Leben hatte der brave Seebär noch keine so lange Rede gehalten.
Seinen Anordnungen entsprechend, glitt der Dampfer mäßig schnell weiter. Überraschenderweise wendete er sich aber nicht dem Meere zu. Während er, dank seinen Lichtern, die der Kapitän zu aller Verwunderung nicht hatte abblenden lassen, ein deutliches und leicht zu treffendes Ziel bildete, fuhr er in gerader Linie auf das Fort San João Baptista zu.
Bald zeigte es sich jedoch, daß diese List ganz am Platze gewesen war. Durch den jetzt eingehaltenen Kurs getäuscht, stellten die Forts ihr Feuer ein.
»Ruder scharf nach Backbord!« kommandierte da der Kapitän.
Und die »Seamew« drehte sich, noch immer beleuchtet, unter Volldampf nach dem Meere zu.
Plötzlich krachten aber schnell nacheinander drei Geschütze, doch alle drei, ohne Schaden anzurichten. Eins von den Projektilen, das von San João Baptista her kam, sauste über die Toppen der Masten hinweg. Der Kapitän knipp sich vergnüglich in die Nase. Sein Manöver war gelungen. Das Fort war schon zur Ohnmacht verurteilt, und weiterhin wurde das Schiff vom Lande gegen eine nochmalige Beschießung gedeckt. Was die beiden andern, von Morro do Brazil aus abgefeuerten Geschosse betraf, fiel das erste hinter der »Seamew« nieder, und das zweite streifte das Wasser zwei Kabellängen weit vom Vordersteven des Dampfers.
Kaum war der fünfte Kanonenschuß verhallt, als auf Befehl des Kapitäns alle Lichter auf der »Seamew«, auch die beiden Positionslichter, erloschen. Presenninge bedeckten die Glaskappe des Maschinenraumes. Gleichzeitig drehte sich das Schiff, vom Steuermann gewendet, um sich selbst und fuhr unter vollem Dampfdruck nach dem Lande zu zurück.
So steuerte es um die Reede an deren Grenze, wo schon die Lichter der Stadt verschwanden. Schwarz in der schwarzen Nacht, mußte es unbemerkt davonkommen und kam auch unbelästigt davon.
Nach Durchschiffung der Reede in ihrer ganzen Breite glitt die »Seamew« tollkühn längs der Felsenwände des Morro do Brazil hin. Hier wäre ein neuer Pfiff unheilschwanger gewesen. Seit Beginn dieses Manövers hatte der Kapitän aber den Inspektor klugerweise in eine Kabine verwiesen, wo er ihn, samt den beiden Leuten aus dessen Boote, von einigen handfesten Matrosen bewachen ließ.
Übrigens schien jede Gefahr schon jetzt abgewendet zu sein.
Das Fort San João Baptista, das, ohne es zu wissen, jetzt noch der einzige gefährliche Gegner war, feuerte nicht mehr, während man vom Morro do Brazil aus fortfuhr, sein Pulver durch Schüsse ins Blaue zu verpuffen.
Die »Seamew« glitt schnell im pechdunkeln Schatten der Felsenwand hin. An die äußerste Landspitze gelangt, umschiffte sie diese und schlug von hier aus einen Kurs gerade nach Süden ein, während die beiden Forts, die sich nun dafür entschieden hatten, ihr nutzloses Duett wieder aufzunehmen, ihre überflüssigen Geschosse nach Osten hinausschleuderten.
Als er drei Seemeilen weit draußen war, erlaubte sich der Kapitän Pip, an Bord glänzend zu illuminieren. Dann ließ er den Inspektor herausholen und forderte ihn auf, in seinem Boote zurückzukehren. Höflich geleitete er ihn bis an den Ausschnitt der Schanzkleidung und sagte dann, die Mütze in der Hand und über die Reling gebeugt:
»Sie sehen, mein Herr, wie ein englischer Seemann mit portugiesischen Kanonenkugeln Verstecken spielt. Nicht wahr, das nennt man eine kleine Überraschung? – Ich habe die Ehre, werter Herr, mich Ihnen bestens zu empfehlen!«
Leider war der Inspektor, der nicht ein Sterbenswörtchen englisch verstand, nicht in der Lage, den Sinn der hübschen Bemerkung zu verstehen.
Nachdem er die angeführten Worte gesprochen hatte, schnitt der Kapitän die Leine, woran das Boot im Kielwasser des Dampfers schaukelte, mit seinem eignen Messer entzwei, bestieg wieder die Kommandobrücke und befahl einen Kurs nach Südosten. Und während er nachher die Blicke über den Himmel, das Meer und endlich über Terceira schweifen ließ, das in der Nacht schon als dunkle Masse verschwand, spuckte er noch einmal befriedigt und stolz in das ruhige Meer.
Neuntes Kapitel.
Eine Rechtsfrage.
Am 22. ankerte die »Seamew« früh am Morgen vor Ponta-Delgada, der Hauptstadt von San Miguel, und dem letzten Halteplatze vor den Azoren.
Die siebenhundertsiebzig Quadratkilometer große und hundertsiebenundzwanzigtausend
Weitere Kostenlose Bücher