Das Reisebureau Thompson und Comp.
aushalten.
Sicherlich hatte der Dampfer auf dem Lande von San Miguel – Gott weiß, warum – eine Anzahl Feinde und ebenso aus unbekannten Gründen ebensoviele kräftige Bundesgenossen, was zu seiner Verteidigung zweifellos hinreichte.
Thompson und Robert Morgan hatten sich in den Salon begeben. Wie der Kapitän gesagt hatte, fanden sie hier ein junges Mädchen, das völlig zusammengebrochen auf einem Divan lag. Von schmerzlichem Schluchzen geschüttelt, hatte sie das Gesicht in den Händen vergraben. Als sie die beiden Männer kommen hörte, erhob sie sich schnell, grüßte bescheiden und zeigte dabei ein liebreizendes Gesicht, worauf sich augenblicklich eine grausame Verlegenheit spiegelte.
»Mein Fräulein, begann Morgan, eine lärmende Menge schwärmt um unser Schiff. Können Sie vielleicht angeben, ob dieser Aufstand etwas mit Ihrer Gegenwart hier zu tun hat?
– Ach, mein Herr, ich glaube, ja, antwortete das junge Mädchen weinend.
– Dann bitte, mein Fräulein, sprechen Sie sich etwas näher darüber aus. Ihr Name?
– Thargela Lobato.
– Und warum, Fräulein Lobato, sind Sie hierher gekommen?
– Um Schutz zu finden gegen meine Mutter, erklärte die junge Azorerin ohne Zögern.
– Gegen Ihre Mutter?
– Ja, das ist eine schlechte Frau. Und dann…
– Und dann? wiederholte Morgan.
– Und dann, murmelte die junge Thargela, deren Wangen sich etwas röteten, wegen Joachimo Salazars.
– Wegen Joachimo Salazars? fragte Robert. Was ist es mit diesem Joachimo Salazar?
– Das ist mein Verlobter,« bekannte Thargela, indem sie schämig das Gesicht in den Händen verbarg.
Morgan drehte etwas gelangweilt an seinem Schnurrbarte. Die Geschichte schien sich ins Gebiet der Lächerlichkeit zu verlieren. Was sollte man mit diesem halben Kinde anfangen? Wie Thompson entschieden erklärte, wäre er nicht nach San Miguel gekommen, um hier den Schutzgeist für junge Mädchen zu spielen, deren Herzensangelegenheit etwas in die Quere gekommen sei. Morgan meinte, einiges gütliche Zureden werde ja dem verwirrten Köpfchen seine Ruhe wiedergeben.
»Nun nun, liebes Kind, sagte er im Tone eines teilnehmenden Biedermannes, Sie werden doch wohl nach Hause zurückkehren müssen. Jedenfalls haben Sie sich nicht überlegt, daß es immer unrecht ist, sich gegen seine leibliche Mutter aufzulehnen.«
Thargela richtete sich lebhaft auf.
»Sie ist gar nicht meine leibliche Mutter! rief sie mit heiserer Stimme, während ihre Wangen unter aufflammendem Zorne erblaßten. Ich bin ein verlassenes Kind und jener elenden Frau, deren Namen ich trage, nur übergeben, ich hatte keinen andern Namen als Thargela. Doch auch wenn sie meine Mutter wäre, hätte sie kein Recht, mich von Joachimo zu trennen.«
Unter einem neuen Tränenstrome sank Thargela wieder auf der Bank zusammen.
»Alles das ist ja recht hübsch, lieber Herr Morgan, sagte jetzt Thompson. Wie traurig die Lage für dieses arme Kind aber auch sein mag, uns geht das doch ebensowenig etwas an, wie wir etwas für sie tun können. Machen Sie ihr das verständlich. Es ist Zeit, daß diese Komödie ein Ende nimmt.«
Bei den ersten Worten aber, die Morgan aussprach, ihr begreiflich zu machen, daß sie hier keine Hilfe finden könne, erhob Thargela das Gesicht, worauf jetzt ein Ausdruck von Freude thronte.
»O doch, Sie können… ja, Sie können mir helfen. Das sagt das Gesetz!
– Das Gesetz?« rief Morgan dem ihre letzten Worte ganz unverständlich waren.
Er konnte darüber aber Fragen stellen, so viel er wollte… alles vorläufig vergebens. Das Gesetz war für sie, Thargela wußte das, aber auch nichts weiter andres. Wenn die englischen Herren darüber aber nähere Belehrung wünschten, warum ließen sie nicht Joachimo Salazar holen? Er wäre nicht weit von hier, er wüßte alles und würde auf jede Frage Antwort geben.
Ohne eine weitere Rede abzuwarten, zog Thargela Morgan mit nach dem Verdeck hinauf, führte ihn an die Schanzkleidung und zeigte ihm mit einem Lächeln, das ihr frisches Gesichtchen erhellte, einen großen, jungen Mann, der am Steuer eines der kriegführenden Boote stand.
»Joachimo! Joachimo!« rief Thargela.
Laute Ausrufe erschallten als Antwort. Der junge Mann warf das Steuer seines Bootes geschickt um, legte an der »Seamew« an und sprang an Bord, während sein Boot zu den übrigen zurückkehrte.
Es war ein wirklich hübscher Bursche von freimütigem, entschlossenem Aussehen. Seine erste Sorge war, Thargela in die Arme zu schließen und
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