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Das Reisebureau Thompson und Comp.

Das Reisebureau Thompson und Comp.

Titel: Das Reisebureau Thompson und Comp. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Verne
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unerträglichen Schmerzen leiden.
    »Da ist ja ein verteufeltes Konzert!« murmelte Thompson.
    Er war von Anfang an überzeugt, daß es sich hier, hervorgerufen durch den schweren Wogengang, um einen Anfall von Seekrankheit handelte. Wenn auch etwas heftiger als gewöhnlich, wurde diese Krankheit doch niemals eigentlich gefährlich.
    Immerhin erforderte es die Humanität, den armen Leuten zu helfen, und Thompson – das Lob verdiente er – entzog sich dieser Menschenpflicht keinen Augenblick. Eine Stunde lang widmete er ihnen die rührendste Sorgfalt, und seine Schuld war es nicht, wenn sich diese vergeblich erwies.
    Im Gegenteil schien sich der Zustand der drei Brüder sogar noch verschlimmern. Thompson bemerkte bestürzt Symptome, die man bei der Seekrankheit gewöhnlich nicht beobachtet. Von Zeit zu Zeit veränderte sich die Farbe der Kranken von blassem Grau zu brennendem Rot Sie schienen dann übermenschliche Anstrengungen zu machen, sich emporzurichten, sanken aber bald wieder mit pfeifendem Atem, eiskalter Haut und totenblassem Gesichte kraftlos zurück.
    Um sieben Uhr erschien Thompson die Lage so kritisch, daß er Morgan wecken ließ; er bedurfte dringend des Rates.
    Morgan konnte seinem Chef einen solchen unglücklicherweise auch nicht geben, und beide mußten also ihre Ohnmacht einsehen, den Leidenden, die schon fast mehr den Namen Sterbende verdienten, irgendwie zu helfen.
    »Es muß aber doch etwas geschehen, sagte Morgan gegen acht Uhr. Wie wär’s, wenn wir einmal versuchten, das Erbrechen, zu dem es bei ihnen nie ganz kommt, zu befördern?
    – Wie? fragte Thompson. Kennen Sie ein dazu geeignetes Mittel?
    – Warmes Wasser, schlug Morgan vor.
    – Ja, das wollen wir versuchen!« rief Thompson, der ganz den Kopf verloren hatte.
    Das von Morgan empfohlene heroische Mittel brachte eine augenblickliche Wirkung hervor. Beim zweiten Glase warmen Wassers erhielten die improvisierten Krankenpfleger den Beweis dafür.
    Was sahen da aber Morgan und Thompson? Was glaubten sie vielmehr zu sehen?
    Ihre Ungewißheit ist ja leicht zu begreifen. An Wasser fehlt es nicht. Die Gefäße sind sorgfältig gereinigt, und da…
    Da… welch ein Blendwerk!
    Smaragde, Rubinen, Diamanten, mehr als fünfzig Edelsteine blitzen aus dem Grunde der trüben Flüssigkeit in den Gefäßen heraus!
    Ganz verblüfft sehen Thompson und Morgan einander schweigend an. Einen Augenblick darauf ist ihnen alles klar. Da haben sie sie ja vor sich, die kirchenschänderischen Diebe des Kruzifixes von Terceira, wenigstens die Anstifter, und die azorische Polizei hatte sich also nicht getäuscht, als sie vermutete, daß die »Seamew« diesen als Zufluchtsstätte diene. Welch besseres Versteck als ihren Magen hätten die Räuber wohl haben können, als sie fürchten mußten, durch die Untersuchung des Schiffes ihres Verbrechens überführt zu werden.
    Morgan war der erste, der seine Fassung wiedergewann.
    »Dieses Geheimnis, sagte er, ist zu groß, als daß wir es allein auf uns nehmen könnten. Ich bitte um die Erlaubnis, wenigstens noch einen andern Passagier, vielleicht den Reverend Cooley, herbeirufen zu lassen.«
    Thompson nickte zustimmend mit dem Kopfe, und sofort wurde ein Aufwärter abgeschickt, den geistlichen Herrn zu holen.
    Als dieser in die Kabine kam, worin die Gebrüder da Veiga schwer keuchend lagen, war an der Sachlage nicht viel geändert. Konnte man aber nicht annehmen, daß die Diebe in ihrem Magen noch mehr von den erlangten Edelsteinen verbargen? Um darüber Gewißheit zu erhalten, brauchte man ja nur die schon so erfolgreiche Behandlung fortzusetzen.
    Bald wurden auch durch das originelle Mittel noch über dreihundert kostbare Steine, meist Diamanten, ans Tageslicht befördert.
    Dann gewann es den Anschein, daß die von ihrem Geheimnisse befreiten drei Kranken sich wesentlich erleichtert fühlten. Zwar litten sie auch jetzt noch, doch nur an der gewöhnlichen Seekrankheit, und die führt ja, wie bekannt, kaum jemals einen tödlichen Ausgang herbei. Über das merkwürdige Vorkommnis wurde nun ein Protokoll aufgenommen, das der Pastor Cooley in Verwahrung nahm, die Edelsteine aber wurden, nachdem sie von jedem der drei Anwesenden gezählt waren, Thompson übergeben, der sie vorläufig einschloß. Gleich darauf aber sachte dieser den Leutnant auf, der erst vor so wenigen Stunden hatte auf eine erniedrigende Kapitulation eingehen müssen.
    Als er da aus der Treppenkappe hervortrat, erhob sich vor ihm ein Schatten, natürlich der

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