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Das Reisebureau Thompson und Comp.

Das Reisebureau Thompson und Comp.

Titel: Das Reisebureau Thompson und Comp. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Verne
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sie bald nach dem sogenannten Neuen Wege und zog anderthalb Stunden lang auf dieser gut unterhaltenen Straße hin. Noch vor acht Uhr wurde in Camara de Lobos eine kurze Rast gemacht, und dann ging es mit frischen Kräften einen Berg hinan auf einem Pfade, dessen außerordentliche Steilheit ihm den Namen »Mata Boes«, d. i. »der Ochsenmörder«, eingetragen hat.
    Diesen Pfad, auf dem die Ochsen leicht zugrundegehen, überwanden doch die Menschen. Es war wirklich wunderbar, die Hamacträger zu beobachten. Zwei Stunden lang klommen sie, einander je nach fünfzehn Minuten ablösend, mit gleichbleibender Anstrengung und ohne einen Klagelaut den beschwerlichen Abhang empor. Erst gegen zehn Uhr ruhten sie wieder einmal aus. Die Straße überschritt hier einen jetzt trocken liegenden Bergbach und an Stelle des Pflasters trat der natürliche Erdboden.
    Nach einer weitern Stunde Marsches, der hier durch ein Gehölz mit alten Kastanienbäumen, da über eine öde Steppe und dort wieder an einigen Tannen, den Überresten eines frühern Waldes, vorüber führte und endlich auf einem mit duftendem Haidekraut bedeckten Stück offenen Landes mündete, hielten die Touristen vor einer rohen Barriere an, hinter der die roten Mauern der Quinta de Campanario sichtbar waren.
    Früher eine stattliche Wohnung, war diese Quinta jetzt nur noch eine elende Ruine. Statt, um zu frühstücken, in sie einzutreten, zogen es die Touristen vor, sich unter freiem Himmel an einer Stelle niederzulassen, die ihre Träger von Dornen und Steinen und auch von Abfällen aller Art, die von der madeirischen Unreinlichkeit herrührten, sorgsam gesäubert hatten. Dann wurden die Mundvorräte hervorgeholt. Ein weißes Tischtuch bedeckte den Boden, so daß die Tafel im ganzen recht einladend aussah.
    Während sie noch unter Aufsicht Morgans hergerichtet wurde, bewunderten die Touristen, die auch einen flüchtigen Blick auf das prächtige Panorama ringsumher warfen, die beiden Kastanienriesen, die dicht bei der Quinta standen und deren größter, eine wirkliche Merkwürdigkeit der Insel, einen Stamm von elf Meter Umfang hatte.
    Ihr durch den beschwerlichen Aufstieg geschärfter Appetit trieb sie aber bald zu der improvisierten Tafel zurück, wo sie unangenehm überrascht wurden, einen Kreis von Ziegen und zerlumpten Kindern um den Platz versammelt zu sehen. Durch Drohungen und reichliche Almosen gelang es erst, die Horde zu vertreiben. Auch der wenigst delikate Magen hätte bei ihrem Anblick gestreikt.
    Die Reisenden hatten kaum eine Weile gegessen, als ihre Aufmerksamkeit auf eine seltsame Erscheinung gelenkt wurde, die – es war ein Mann – in der Tür der verfallenen Quinta erschien. Schmutzig und mit Lumpen bekleidet, das ziegelrote Gesicht vom Heiligescheine eines struppigen Bartes umgeben und einem Gewirr. ursprünglich jedenfalls weißer Haare auf dem Kopfe, betrachtete der Mann, an einen der Türpfosten gelehnt, die schmausende, hungrige Gruppe. Endlich faßte er einen Entschluß und ging schlendernden Schrittes auf die Touristen zu.
    »Seien Sie hier bei mir willkommen, grüßte er die Fremden und lüftete dabei die Reste eines großen Sombrero, der fast nur noch aus der Krempe bestand.
    – Bei Ihnen? rief Morgan, der sich erhoben hatte, die Begrüßung des höflichen Mannes zu erwidern.
    – Ja, bei mir… in der Quinta de Campanario.
    – Dann, Señor, entschuldigen Sie fremde Touristen, so ohne weiters auf Ihr Gebiet eingedrungen zu sein.
    – O, das bedarf keiner Entschuldigung, protestierte der Madeirer in leidlichem Englisch. Es freut mich herzlich, Ihnen Gastfreundschaft bieten zu können.«
    Morgan und seine Gefährten sahen ihn verwundert an. Ihre Blicke schweiften zwischen seiner Mitleid erweckenden Erscheinung und der halbzerfallenen Hütte hin und her, die dem wunderlichen Eigentümer als Unterschlupf diente. Den aber schien das Erstaunen seiner Gäste nur zu belustigen.
    »Erlauben Sie, mich diesen Damen selbst vorzustellen, da mir doch niemand diesen Liebesdienst leisten kann. Ich hoffe, Sie werden Don Manuel de Goyaz, Ihrem ergebnen Diener, seine Unkorrektheit freundlich nachsehen.«
    Der edle Lumpenträger ließ unter seinem zerfetzten Äußern eine gewisse vornehme Art wirklich nicht verkennen. Er hatte seine Tirade halb in hochmütigem, halb in familiärem Tone, im übrigen aber tadellos vorgetragen. Seine Höflichkeit konnte jedoch über seine lungernden Blicke nicht hinwegtäuschen. Wie hypnotisiert durch die leckern Gerichte,

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