Das Reliquiar
von Byzanz, und er hat mir gesagt, dass auch die Deutschen danach suchten. Angenommen, die Baronin hat vermutet, durch die Entschlüsselung der Dokumente den Aufbewahrungsort des Kreuzes ausfindig machen zu können.Wäre es denkbar, dass sie der Meinung war, ihre Landsleute hätten mehr Recht darauf als andere? Möglicherweise hat sie die Akte damals jemandem übergeben, den sie kannte, einem Freund oder Verwandten. Und anschlie ßend, nach einiger Zeit, sind die Unterlagen vielleicht in die Hände von wer weiß wem geraten. Jemand könnte sie geerbt haben. Und angenommen, der Erbe ist mein angeblicher Cousin. Wäre es dann nicht logisch, dass er hierherkommt und festzustellen versucht, wie weit wir mit unseren Nachforschungen gekommen sind?«
»Eine faszinierende Möglichkeit«, sagte Nicholas. »Und du glaubst, der hypothetische Erbe könnte den hypothetischen Code entschlüsselt haben?«
»Ich glaube eher, dass er mit der Absicht hierherkam, die Lage zu sondieren.«
»Und ist ihm das gelungen?«
Elena zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Und vergessen wir nicht den Wagen mit dem Kennzeichen des Vatikan, der Saverio abgeholt hat. Mein Großvater hat mir auch erzählt, dass sich die katholische Kirche für das Kreuz von Byzanz interessiert.«
»Nun, das überrascht mich nicht...«, brummte Nicholas.
Das Feuer im Kamin war heruntergebrannt, und es wurde kalt im Zimmer. Auf dem Tisch standen die beiden Tassen und eine inzwischen leere Kaffeekanne, deren Silber das Licht der letzten Glut widerspiegelte. Stille breitete sich aus und gewann eine solche Tiefe, dass Elena zusammenzuckte, als die Standuhr Mitternacht schlug. »Genug für heute. Ich bringe das hier in die Küche und gehe anschließend schlafen.« Sie nahm das Tablett. »Siehst du bitte nach, ob die Eingangstür verriegelt ist?«
Nicholas unterdrückte ein Gähnen und nickte. »Klar«, sagte er und stand auf. Elena verließ den Salon, und er ging zu der Glastür, um die Verriegelung zu überprüfen.
Draußen bewegte sich ein Schatten zwischen den Büschen.
Nicholas erstarrte und fragte sich, ob er sich die Bewegung nur eingebildet hatte oder ob tatsächlich jemand dort draußen unterwegs war. Nach einigen Sekunden schaltete er das Licht aus und kehrte zur Tür zurück.
Eine schemenhafte Gestalt erschien wie aus dem Nichts.
Sie kam aus dem Dickicht und huschte durch den Lichtschein eines Fensters im Obergeschoss. Nicholas wollte sich abwenden, um Elena Bescheid zu geben, als er eine zweite dunkle Gestalt sah, die der ersten folgte.
Er eilte in die Küche und stieß gegen Elena, die sie gerade verließ. Rasch drückte er ihr die Hand auf den Mund und kam damit einem Aufschrei zuvor. »Draußen treibt sich jemand herum«, flüsterte er ihr ins Ohr.
Elena riss die Augen auf.
»Sie sind zu zweit«, fügte Nicholas hinzu.
Furcht flackerte in Elenas Augen auf. Nicholas nahm die Hand von ihrem Mund, und genau in diesem Moment hörten sie ein Kratzen: Jemand machte sich am Schloss der Tür zu schaffen, die von der Küche auf den Hof führte.
»Hier entlang, schnell!«, hauchte Elena und nahm Nicholas’ Hand. Sie liefen durch die Küche und erreichten die Wäschekammer, von der aus man das Zimmer mit den Werkzeugen und die Garage erreichen konnte. »Steig ein!« Elena deutete auf den alten Geländewagen. Nicholas sprang auf der Beifahrerseite in den Wagen, und Elena saß eine Sekunde später am Steuer. Der Schlüssel steckte, und der Rover sprang sofort an. Elena gab im Rückwärtsgang Gas, und die Räder drehten durch. »Leg den Gurt an!«, rief sie und riss den Wagen herum.
»Lieber Himmel!«, entfuhr es Nicholas. Er hielt sich am Türgriff fest.
Die beiden Männer an der Küchentür hörten den Wagen und drehten sich um. Sie sahen, wie der Rover über den Hof und dann die Zufahrt hinabraste.
»Schieß, verdammt! Schieß!«, rief einer von ihnen und holte eine Pistole hervor.
Doch der Geländewagen war bereits außer Schussweite.
Zornig steckte der Mann die Waffe wieder ein. Nur einen Moment später ertönte ein lautes Alarmsignal im Schloss, und Scheinwerfer flammten auf, erhellten den Garten.
»Nichts wie weg!«
Die beiden Männer flohen über den Rasen in Richtung der weiten Felder, die sich in der Nacht verloren. Sie liefen, so schnell sie konnten, und warfen gelegentlich einen Blick über die Schulter, um zu sehen, ob ihnen jemand folgte. Schließlich erreichten sie die Stra ße, wo sie ihren Wagen zurückgelassen hatten. Atemlos
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