Das Reliquiar
gleiche Schicksal bevor.
Der Rauch erreichte auch das Schlafzimmer von Marozia, und sie wachte hustend auf. Verwirrt und erschrocken sprang sie aus dem Bett und riss die Tür auf, doch eine Barriere aus Flammen trieb sie zurück. Sie schloss die Tür wieder, lief zum Fenster, öffnete es, beugte sich nach draußen und rief um Hilfe. Zwar war es mitten in der Nacht, aber vor dem brennenden Gebäude hatten sich viele Schaulustige versammelt.
»Helft mir, um Gottes willen!«, rief Marozia und beugte sich noch weiter nach draußen.Vor dem Sprung hatte sie ebenso viel Angst wie vor dem hinter ihr lodernden Feuer.
»Spring!«, rief jemand. »Spring!«
Sie konnte nicht länger warten. Mit Tränen in den Augen drehte sich Marozia noch einmal um, und ihr Blick strich über Möbel und Wandteppiche, übers Bett – alles stand in Flammen. Sie hob die zur Faust geballte Hand, verfluchte das widrige Schicksal, kletterte dann auf die Fensterbank und sprang.
Als der Morgen dämmerte und es zu regnen begann, konnte das Feuer schließlich ganz gelöscht werden, doch es ließ sich praktisch nichts mehr retten. Das galt auch für die arme Marozia, die mit zertrümmertem Schädel in einer großen Blutlache auf dem Kopfsteinpflaster lag, und all die wertvollen Dinge, die sie von ihren Liebhabern geschenkt bekommen hatte.
Niemand wusste, dass es unter Schutt und Asche einen Kellerraum mit einem Schatz aus Geld und Edelsteinen gab. Und niemand ahnte etwas von den beiden goldenen Kreuzen, die dort ruhten.
Tarquinia, 9. November 2006
Das Haus erhob sich auf einer Landzunge am Meer und war von einem Garten umgeben.
Elena steuerte den Rover über den Gartenweg. »Der Schlüssel liegt in der roten Vase dort. Hol ihn und schließ auf. Ich bringe den Wagen nach hinten.«
Nicholas stieg aus, Elena fuhr über einen anderen Weg, der ums Haus führte, und stellte den Geländewagen dann unter einem Vordach ab. Nicholas hatte unterdessen den Schlüssel gefunden und die Tür geöffnet.
»Also los, gehen wir hinein«, sagte Elena.
Sie gelangten in eine kleine Diele, an die sich ein mit sachlicher Eleganz eingerichtetes Wohnzimmer anschloss. Esszimmer und Küche befanden sich auf der anderen Seite. Durch eine Glastür gelangte man auf die Veranda mit einer Laube auf der einen Seite; dort standen ein Tisch, mehrere Stühle und eine Hollywoodschaukel. Die Aussicht war prächtig. Neben dem Wohnzimmer führte eine Wendeltreppe ins Obergeschoss, das drei Schlafzimmer, ein Bad und eine Mansarde mit einem kleinen Wohnzimmer und einem Arbeitsraum beherbergte.
»Stört es deinen Chef bestimmt nicht, dass wir hierhergekommen sind?«, fragte Nicholas und sah sich um.
»Wenn ich geglaubt hätte, dass es ihm unangenehm ist, hätte ich ihn nicht angerufen.«
»Wie willst du es ihm erklären?«
»Ich sage ihm die halbe Wahrheit: dass wir einen ruhigen Ort für die hypnotische Regression brauchten.«
Nicholas sah sie überrascht an. »Du hast ihm davon erzählt?«
»Ja, unmittelbar nach meiner Rückkehr. Wir sind abends essen gegangen, und dabei habe ich ihm von meinen Erfahrungen berichtet. Mach nicht so ein Gesicht. Enzo ist mein Chef, aber wir sind auch gute Freunde.«
»So gute Freunde, dass er dir, ohne mit der Wimper zu zucken, sein Haus am Meer zur Verfügung stellt? Bist du sicher, dass nicht noch mehr dahintersteckt?«
»Vor Jahren hatten wir mal was miteinander, bevor seine Frau starb. Aber das ist lange vorbei.Wenn du jetzt mit demVerhör fertig bist... Ich rufe Marta an.Anschlie ßend koche ich uns einen Kaffee. Einverstanden?«
»Ich kümmere mich darum. Sprich du mit Marta und entspann dich.«
Marta nahm beim zweiten Klingeln ab. Elena sagte, dass sie nicht lange sprechen könne, weil sie vermeiden wolle, dass man den Anruf zurückverfolge. Es beruhigte Marta zu hören, dass es Elena gut ging, und sie fasste die Ereignisse beim Schloss zusammen: das Eintreffen der Polizei, tausend Fragen, die Verwunderung von Kommissar Valente angesichts ihrer beider Flucht... Elena versicherte, dass alles gut sei, und legte dann auf.
Sie nahm im Wohnzimmer Platz, und für einen Moment, fast ohne es zu merken, schloss sie erschöpft die Augen. Sie musste eingenickt sein, denn kurze Zeit später weckte sie das Klingeln des Telefons.
»Das ist sicher Enzo!«, rief sie Nicholas zu, der noch immer in der Küche war. »Nur er weiß, dass wir hier sind... Hallo?«
»Ich bin’s, Enzo.Wie ist das Meer?«
»Wunderschön. Ich danke dir, dass du uns
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