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Das Reliquiar

Das Reliquiar

Titel: Das Reliquiar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Seymour
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von dir und unserer Mutter geträumt habe.«
    Elisa sah ihn aus feucht glänzenden Augen an. »Unsere Mutter lebt nicht mehr, Manfredi. Sie hat schließlich jede Hoffnung verloren, dich noch einmal zu sehen, und daraufhin gab sie sich dem Tod hin. Wie hätte ich dir davon schreiben können? Zum Glück kam gelegentlich ein Pilger oder ein Kreuzfahrer vorbei, der für einen Teller Suppe oder einen Schlafplatz Nachrichten brachte. Vom letzten habe ich gehört, dass du lebst, aber er wusste nicht, wann und ob du zurückkehren würdest.« Sie hängte sich bei ihrem Bruder ein. »Gehen wir ins Schloss. Ich brauche die Wärme eines Feuers und eine Stärkung. Dann können wir über alles reden.«

Villa Malaspina, 11. November 2006
    Um Mitternacht zog sich der Butler in die Dependance hinter dem Hauptgebäude zurück.
    Nicholas und Elena warteten noch ein wenig, verließen dann ihr Zimmer und schlichen auf leisen Sohlen zur Treppe. Sie durchquerten die Diele und erreichten die Tür, doch als Nicholas sie öffnen wollte, hielt Elena ihn zurück.
    »Was ist?«
    »Der Alarm«, sagte Elena und deutete auf das Steuergerät. »Er wird aktiviert, wenn wir die Tür öffnen. Wir müssen durch die Küche und den Waschraum zur Garage.«
    »Und wenn es auch dort eine Alarmanlage gibt?«

    »Sie schaltet sich automatisch aus, wenn jemand die Fernbedienung für den Rollladen benutzt.«
    »Bist du sicher?«
    »Nein, aber ich habe noch Hoffnung.«
    »Wohin willst du, wenn wir das Haus verlassen haben?«
    »Eins nach dem anderen, Nick. Zuerst schnappen wir uns einen Wagen und verschwinden von hier.«
    Sie durchquerten die Küche, den Waschraum und eine Abstellkammer mit Werkzeugen, blieben dann vor der Garagentür stehen.Vorsichtig drückte Elena die Klinke.
    Kein Alarm. Nur Stille.
    Sie drehte sich zu Nicholas um, lächelte und öffnete dann die Tür.
    Plötzlich wurde es hell, und von einem Augenblick zum anderen erschien ein Mann mit einer Pistole in der Hand.
    »Zurück«, sagte er nur.
    Elena starrte ihn fassungslos an. Es war Stefano Monti.
    »Der Meister trifft bald ein«, sagte er. »Wie dumm von euch, dass ihr fliehen wolltet. Ihr habt ihn enttäuscht. Und der Meister verzeiht niemandem, der ihn enttäuscht.«

Schloss Sandriano, 3. Dezember 1225
    »Und dies ist deine Schwägerin Ermelinda«, sagte Elisa zu Manfredi.
    Sie erklärte ihrem Bruder, dass Ermelinda nach dem Tod ihres Bruders Tristan ins Schloss gekommen war. Tristan hatte Elisa acht Jahre zuvor geheiratet und war
bei einem Jagdausflug von einem Wildschwein getötet worden. Für die junge Witwe mit ihren drei Kindern war Ermelinda ein wahrer Segen. Sie hatte ihr geholfen, wo es ging, und dafür gesorgt, dass sich Elisa nicht einsam fühlte.
    Elisa konnte nicht ahnen, was Ermelinda fühlte, als sie sich Manfredi gegenübersah. Über die Jahre hinweg hatte sie viele Geschichten, Beschreibungen und Lobpreisungen gehört, und daraufhin war in ihr eine Art Besessenheit in Hinsicht auf den kühnen, unerschrockenen jungen Mann entstanden, der im fernen Heiligen Land kämpfte. Die Vorstellung, dass Manfredi sich nach seiner Rückkehr in sie verlieben würde, hatte tiefe Wurzeln in ihrem Herzen geschlagen.
    Als Ermelinda den Blick zu ihm hob und lächelte, zweifelte sie nicht daran, dass ihr Traum in Erfüllung gehen würde.
     
    Der eisige Griff der Kälte lockerte sich, und Manfredi wurde immer unruhiger. Es war schön gewesen, zu seiner Familie zurückzukehren, Elisa zu umarmen und Zeit mit seinen drei Neffen und Ermelinda zu verbringen, die ihm an vielen Abenden Gesellschaft leistete und sich mit großer Aufmerksamkeit seine Erzählungen über Venedig, Rom und das Heilige Land anhörte. Aber jetzt spürte er das Bedürfnis, sich zu bewegen, und sei es auch nur auf einem Ritt durch die Umgebung.
    »Ich möchte Euch begleiten, wenn Ihr nichts dagegen habt«, sagte Ermelinda sofort.
    »Wenn Elisa einverstanden ist...«, erwiderte Manfredi.

    »Darf ich?«, wandte sich die junge Frau an ihre Schwägerin.
    »Natürlich darfst du«, sagte Elisa.
    »Ich sattle die Pferde.« Manfredi ging los.
    Ermelinda stand glücklich auf, um ihren Mantel zu holen, doch Elisas Stimme hielt sie zurück. »Ich bin weder blind noch dumm, Ermelinda. Deine Versuche, meinen Bruder für dich zu gewinnen, sind mir keineswegs entgangen. Sei auf der Hut: Ich werde nicht zulassen, dass er deinetwegen leidet.«
    »Ich versichere dir, dass ich nicht die geringste Absicht habe, ihm Leid zuzufügen. Ich liebe

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