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Das Reliquiar

Das Reliquiar

Titel: Das Reliquiar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Seymour
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nur Besorgnis, sondern auch Verblüffung zu sehen.

Ural, 15. Oktober 1245
    »Da ist das Kloster!«, rief der Führer und versuchte, das Heulen des Windes zu übertönen.
    Die Männer hatten geglaubt, dass sie nach der Steppe nichts mehr ernsthaft auf die Probe stellen konnte. Doch das war ein Irrtum gewesen. Die wahre Herausforderung kam erst, als der lange Marsch durch die unwegsamen, trostlosen Berge begann. Ein Marsch, den einige von ihnen nicht überlebt hatten, weil sie erfroren oder in Felsspalten gestürzt waren.
    Gualtiero löste sich von seinen Begleitern, trat zu ihrem
Führer und zog sich den Schal vom Mund. »Scheint nicht sehr weit zu sein«, sagte er.
    »Wir können das Kloster nicht vor Einbruch der Dunkelheit erreichen«, erwiderte der Führer. »Dort unten ist der Weg unterbrochen, aber eine Brücke verbindet die beiden Seiten. Wir müssen nacheinander hinüber, und das kostet Zeit.«
    Er ging weiter, und Gualtiero bedeutete den anderen, sich wieder in Bewegung zu setzen. Nach einigen Dutzend Metern führte der Weg um die Flanke des Bergs und endete abrupt an einer tiefen Schlucht. Eine zerbrechlich wirkende Hängebrücke aus Seilen und Brettern reichte zur anderen Seite hinüber und schaukelte im Wind.
    »Ich gehe als Erster«, sagte der Führer. »Haltet euch gut fest und vermeidet es, nach unten zu sehen.«
    Unter den skeptischen Blicken der übrigen Männer betrat er die Brücke, setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen und hielt sich an den eisverkrusteten Leinen fest.Trotz des Schwankens der Brücke gelang es ihm, das Gleichgewicht zu wahren – er hielt den Blick nach vorn gerichtet und versuchte, nicht an den Abgrund unter seinen Füßen zu denken oder daran, dass ihn ein plötzlicher Windstoß in die Tiefe reißen konnte. Schließlich erreichte er die Felsen auf der anderen Seite und winkte.
    Der zweite Mann machte einige unsichere Schritte. Angefeuert von seinen Gefährten, wagte er sich noch etwas weiter vor, aber etwa in der Mitte der Hängebrücke hielt er inne und erlag der Versuchung, nach unten zu sehen. Die bodenlose Tiefe ließ ihn in Panik geraten.

    »Sieh mich an, Idiot!«, rief der Führer auf der anderen Seite. »Sieh mich an!«
    Aber der Mann starrte weiterhin wie hypnotisiert in die Tiefe. Dann drehte er sich mit einem Ruck um und wollte zurückkehren, rutschte aber auf den vereisten Brettern aus, fiel, hielt sich im letzten Moment fest und baumelte an der Hängebrücke, die jetzt noch heftiger schaukelte.
    »Ich bin gleich bei dir!«, rief Gualtiero und warf die Satteltaschen beiseite. Der Mann war wirklich ein Dummkopf, aber er konnte ihn nicht seinem Schicksal überlassen.
    Nicht ein Laut war über die Lippen der anderen Männer gekommen. Entsetzen hatte sie zum Verstummen gebracht.

Villa Malaspina, 11. November 2006
    »Ich bin untröstlich, meine Liebe«, sagte Enzo Lovati. »Ich wollte nicht, dass du es auf diese Weise erfährst. Euer Fluchtversuch war sehr dumm. Jetzt bin ich gezwungen, meine Pläne zu ändern.«
    »Wie kannst du mir so etwas antun?«, entfuhr es Elena. »Ich habe dich für einen Freund gehalten und dir vertraut!«
    »Ich will euch nichts antun, es sei denn, ihr zwingt mich dazu. Wenn ihr mir sagt, wo sich das Kreuz von Byzanz befindet, lasse ich euch sofort frei. Ich rate euch also, mir offen Auskunft zu geben.«
    »Hast du den Sekretär meines Großvaters umgebracht?«

    »Nicht persönlich. Stefano hat meine Anweisungen ausgeführt.«
    »Warum?«
    »Er hatte meine geheime Identität entdeckt und drohte damit, sie preiszugeben. Außerdem arbeitete er für den Vatikan. Er war ein zu großer Störfaktor geworden.«
    »Wofür willst du das Kreuz? Um den Wert geht es dir doch vermutlich nicht...«
    »Nein, es ist nicht nur eine Frage des Geldes«, sagte Enzo. »Ich will verhindern, dass es skrupellosen Leuten in die Hände fällt, die es dann für ihre Zwecke verwenden könnten.«
    »Und wer sind diese Leute?«
    »Hast du jemals vom ›Projekt Leben‹ gehört?«
    »Wenn ich mich nicht irre, ist das eine deutsche Firma, die sich dafür einsetzt, die Ressourcen der armen Länder zu erweitern und neue Medikamente für die endemischen Krankheiten in der Dritten Welt zu entwickeln.«
    »Oh ja, das ist die Fassade. In Wirklichkeit finden in den Laboratorien des Projekts Leben seit vielen Jahren genetische Experimente mit dem Ziel statt, eine überlegene Rasse zu schaffen.Wenn diese Leute das Kreuz von Byzanz haben, können sie ihr ehrgeiziges und

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