Das Reliquiar
Manfredi und würde gern seine Frau, wenn er es möchte. Natürlich nur mit deinem Segen.«
Etwas später verließen Manfredi und Ermelinda das Schloss, begleitet von zwei Schildknappen. Elisas Bruder ritt den schwarzen Hengst, der ihn ins Heilige Land gebracht hatte, und Elisa saß im Sattel eines ruhigen braunen Wallachs. Als sie im Galopp unterwegs waren, drehte sich Manfredi um und beobachtete die junge Frau. Nicht zum ersten Mal bewunderte er ihr fein geschnittenes Gesicht, die dunkelgrünen Augen und das kupferrote Haar... Er seufzte. Er hatte viel über seinen Aufenthalt im Heiligen Land erzählt, aber niemandem verraten, dass es nur Pflichtbewusstsein der Familie gegenüber war, das ihn daran gehindert hatte, sich kurz nach seiner Ankunft in Sandriano wieder auf den Weg zu machen. Im Gegensatz zu vielen anderen Kreuzfahrern hatte er es nicht eilig gehabt, in die Heimat zurückzukehren, nachdem sich die christlichen Heere aus Ägypten zurückgezogen hatten, wo nach der Eroberung von Damiette
ein achtjähriger Waffenstillstand vereinbart worden war. Manfredi war davon überzeugt gewesen, dass es schon viel früher zu neuen Kämpfen kommen würde. In Erwartung einer Verstärkung aus Deutschland, angeführt von Friedrich II. höchstpersönlich, hatte er beschlossen zu bleiben. Johann von Brienne, König von Jerusalem, hatte ihm den Befehl über eine Festung anvertraut, ihn zum Lehnsherrn ernannt und versprochen: Wenn er zu bleiben beschlösse, hätte er das Lehen behalten und es an seine Erben weitergeben können.
Doch Friedrich II. schob seine Reise immer wieder hinaus, bestritt schließlich sogar Johanns Recht auf den Thron und beanspruchte ihn für sich selbst. Der Kirchenbann ließ nicht lange auf sich warten, aber Manfredi hatte befürchtet, die erworbenen Privilegien zu verlieren, und deshalb hatte er schweren Herzens Vorbereitungen für die Heimreise getroffen.
Die Erinnerung an den Verlust ließ das Lächeln von seinen Lippen verschwinden, und Ermelinda war sofort besorgt. »Stimmt etwas nicht, mein Herr?«
»Es ist weiter nichts, nur ein wenig Wehmut.«
»Ich verstehe Euch«, sagte Ermelinda. »Der lange Aufenthalt im Heiligen Land hat Euch verändert, und jetzt fühlt Ihr Euch hier fremd.«
»Ihr seid sehr scharfsinnig«, erwiderte Manfredi. »Ihr habt viele Tugenden, die ich bei einer Frau zu schätzen weiß. Es freut mich, dass Ihr ins Schloss Sandriano umgezogen seid.«
Ermelinda errötete voller Freude. »Ihr seid zu gütig, mein Herr.«
»Ich hätte es Euch schon längst sagen sollen. Ich
bin Euch sehr dankbar für alles, was Ihr nach dem Tod Eures Bruders getan habt. Nur wenige Frauen von Eurer Schönheit und Intelligenz hätten sich an ein so zurückgezogenes Leben gewöhnt.Vielleicht ist jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt, und ich habe mir die Umstände gewiss anders vorgestellt, aber ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr bereit wärt, meine Frau zu werden.«
Ein strahlendes Lächeln erhellte Ermelindas Gesicht. »Ich hatte schon befürchtet, Ihr würdet mich nie fragen, mein Herr.«
»Ihr nehmt meinen Antrag also an?«
»Ja, mein Herr.Von ganzem Herzen.«
Villa Malaspina, 11. November 2006
Stefano Monti hatte sie in die Küche geführt, wo der ebenfalls bewaffnete Butler auf sie wartete.
»Du hast ihn schon angerufen, nicht wahr?«, wandte sich Stefano an Glauco.
»Er wird gleich hier sein.«
»Darf man erfahren, was dieser sogenannte Meister von uns will?«, fragte Elena.
»Er will das, was viele Leute wollen und worum es auch dir geht«, antwortete Stefano.
»Das Kreuz von Byzanz«, sagte Elena.
»Nicht schwer zu erraten, oder?«
»Aber ich habe keinen blassen Schimmer, wo es sich befindet.«
»Der Meister ist vom Gegenteil überzeugt. Deshalb seid ihr beide hierhergebracht worden.«
»Ich nehme an, unsere früheren Begegnungen waren kein Zufall.«
Nicholas sah sie überrascht an. »Du kennst diesen Typen?«
»Ich habe eine gute Schau für sie abgezogen.« Stefano lachte. »Bedauerlicherweise hat sie mich nicht ins Schloss gelassen. Sonst wäre für mich alles leichter gewesen.«
Sie hörten einen Wagen, der sich näherte und vor dem Haus hielt.
Glauco ging zum Fenster, sah nach draußen und drehte sich dann um. »Der Meister«, sagte er.
Stefano nickte. »Geh und öffne ihm die Tür.«
Der Butler verließ die Küche, während Elena und Nicholas einen besorgten Blick wechselten.
Als der »Meister« hereinkam, war in den Augen der beiden jungen Leute nicht mehr
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