Das Rennen zum Mars
sagte Marc.
Mir ist nicht entgangen, wie du die Frauen angestiert hast , sagte Julia sich.
»Sie haben gebügelte Arbeitsanzüge nur für die Landung«, sagte Viktor abschätzig. »Alles nur Show. Wenn sie erst einen Monat hier gearbeitet haben, sehen sie genauso aus wie wir.«
»Fadenscheinig, fleckig, zerknittert«, pflichtete Raoul ihm bei. »Es würde mir stinken, die nächsten zwei Jahre in diesem Hühnerstall zu verbringen, mit dem sie angekommen sind.«
»Und was ist mit Frauenphantasien?«, fragte sie.
»Gibt keinen Markt dafür«, sagte Viktor. Sie lachten, aber es klang etwas gezwungen.
Kapitel 21
20. Januar 2018
Am Nachmittag erreichten sie die Zubrin-Basis. Gemäß einer stillschweigend getroffenen Vereinbarung parkte Marc den Dünenbuggy neben dem ERV. Grunzend hievten Raoul und Viktor den Reparatursatz vom Buggy. Ein Körper hatte auf dem Mars eine geringere Gewichtskraft als auf der Erde, was sich aber nicht auf die Masse als solche auswirkte. Sie verschwanden in Raouls Reparaturwerkstatt.
»Sieh sie dir nur an«, sagte Julia lächelnd und schaute den beiden Männern nach. »Wie Kinder mit einem neuen Spielzeug.«
»Du kannst es doch selbst kaum erwarten, dich mit den neuen Bio-Proben zu beschäftigen!«, sagte Marc schnaubend.
»Genau, und deshalb werde ich gleich zum Gewächshaus wetzen.«
Eine schnelle Gangart war im Raumanzug natürlich ein Witz.
Nach monatelanger Übung waren sie gerade einmal in der Lage, vernünftig in den Anzügen zu gehen und nicht mehr wie große Teddybären zu tapsen. Beschwerlich war es allemal.
Als sie sich dem Habitat näherten, sprang der Kontrast zwischen der überdimensionierten Thunfischdose und der filigranen Airbus-Rakete sie förmlich an. Die Sandsäcke, die sie als Strahlungsschutz auf dem Dach gestapelt hatten, muteten auch nicht gerade ästhetisch an. Dennoch war das Habitat eine zweite Heimat für sie geworden, in der sie seit nunmehr fast zwei Jahren recht komfortabel gelebt hatten.
Plötzlich schoß ihr ein Gedanke durch den Kopf. »He, Marc, womit schirmen sie die Atomrakete überhaupt gegen die Strahlung ab?
Unsre Methode wenden sie jedenfalls nicht an; das ist mal sicher.«
»Vielleicht haben sie eine neuartige Abschirmung in die Schiffshülle integriert.«
»Hat niemand sich dazu geäußert, während du mit ihnen zusammengearbeitet hast?«
»Ähm … Wir wußten zu diesem Zeitpunkt nicht einmal, ob das Ding überhaupt flugfähig wäre. Aber es ist trotzdem eine berechtigte Frage.«
* * *
Als sie das Habitat in Hautanzügen, speziellen Thermo-Parkas und Hosen verließen, war es gegen vier Uhr am Nachmittag, und die Schatten auf dem rosig-pinkfarbenen Landeplatz wurden schon länger. Sie zogen sich als blaue Bahnen über eine rote Landschaft.
Sie schritten den dreißig Meter messenden Umfang des Habitats ab und gingen dann am aufgeblasenen Gewächshaus entlang, wobei sie sich mit zeitlupenartigen Hopsern fortbewegten, die von den irdischen Medien als ›Mars-Gang‹ bezeichnet wurden. Für Julias Geschmack waren sie ziemlich spät dran. Allerdings war es Frühling, und die Sonne würde noch für ein paar Stunden am Himmel stehen.
Mit Elan betrat sie das Gewächshaus, legte den Helm ab und schälte sich aus der Thermo-Bekleidung. Sie war froh, daß sie wider Erwarten doch noch die Gelegenheit hatte, sich auf dem Feld der Biologie zu betätigen. Zu Beginn der Mission hatte sie die biologischen Experimente der Viking-Sonde nachvollzogen, in der Hoffnung, etwas zu finden, das der Robotik vielleicht entgangen war. Sie versetzte Proben des Marsbodens – die Marc als ›Regolith‹ bezeichnete – mit Wasser und Nährstoffen, deponierte sie in luftdichten Druckbehältern und ließ das Ganze erst einmal gären. Dann untersuchte sie die Proben darauf, ob der Metabolismus der im Boden enthaltenen Lebensformen Gase produziert hatte.
* * *
Diesmal sucht Leben direkt nach Leben, ohne Roboter als Handlanger.
Um die Möglichkeit auszuschließen, das Experiment mit ihrer eigenen Mikroflora zu verfälschen, hatte sie mit den Proben zunächst nur draußen gearbeitet, in der Kälte unter dem rotscheckigen Himmel. Doch der Druckanzug und die Thermobekleidung hatten sie in der Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Die Besatzungsmitglieder waren mit Zwei-Lagen-Handschuhen ausgerüstet, die aus einer abtrennbaren dicken Isolierschicht und einem dünnen Innenhandschuh bestanden. Doch bekam sie schnell kalte Hände, zumal auch der Innenhandschuh für
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