Das Rennen zum Mars
dem Zielgebiet näherten, betrachtete sie den Nebel, der von den Pingo -Hügeln aufstieg, die Airbus aufgebohrt hatte.
Der perlige Dunst wallte träge auf. Der Abgasstrahl der Rakete hatte tiefe Löcher in die Pingo -Hügel gebohrt, die nun qualmenden Kaminen glichen. Die Flanken der umgebenden Felsen waren von einer milchigen Kruste überzogen. Der von der Druckwelle hochgeschleuderte Schutt zog sich in langen radialen Bahnen um den Hügel.
»Sie werden ein Bergwerk aufmachen müssen«, sagte Viktor per Funk. »Das Eis abbauen und auftauen.«
»Nein, sie werden effizienter vorgehen«, sagte Raoul. »Sie werden einen Tunnel ins Eis treiben, es gleich dort schmelzen und auspumpen.«
»Wie auch immer sie es anstellen«, sagte Viktor, »es wird viel Zeit in Anspruch nehmen, um so viel Brennstoff zu gewinnen.«
Raoul lachte glucksend. »Axelrod hat heute morgen doch wirklich gefragt, ob Airbus das Wasser vielleicht in flüssigen Sauerstoff und Wasserstoff aufspalten wolle? Er glaubt noch immer, es handele sich um eine chemische Rakete.«
Damit erzielte er einen Lacherfolg, doch Julia wußte, daß die nervliche Anspannung der Grund für die scheinbare Heiterkeit war.
Doch anstatt sich über das Rendezvous mit Airbus weiter den Kopf zu zerbrechen, eröffneten sie ein technisches Fachgespräch.
Ein großer Vorteil nuklearer Raketenantriebe war, daß gewöhnliches Wasser einen hervorragenden ›Treibstoff‹ abgab – es wurde einfach aus der Düse gepreßt, um Rückstoß zu erzeugen. Der eigentliche Brennstoff war das Uran beziehungsweise Plutonium im Reaktorkern – ein kompakter Zylinder mit den Ausmaßen eines Kleinwagens. Das in den Reaktor eingespritzte Wasser verdampfte explosionsartig und wurde dann ausgestoßen.
Der Magnum-Booster, der sie auf die Reise geschickt hatte, war auch eine ›Dampf‹-Rakete gewesen, die ihre Energie aus der Vermischung von flüssigem Wasserstoff und flüssigem Sauerstoff gewonnen hatte. Bei Nuklearraketen indes ersparte man sich die heikle Handhabung ultrakalter Flüssigkeiten. Alle Orte im Sonnensystem mit Eisvorkommen waren ein potentielles Ziel, und anschließend flog die Rakete mit ›örtlichem‹ Brennstoff zurück.
Sie hörte sich die Fachsimpelei an und wurde sich dabei bewußt, daß in ihrem Hinterkopf irgend etwas vorging. Als sie das Schiff in der Ferne erspähte, spürte sie, wie ihre Perspektive sich plötzlich änderte. Es handelte sich nicht nur um die protokollarische Begegnung zweier Astronauten-Besatzungen. Sie, Viktor, Marc und Raoul würden in Kürze die ersten Besucher von der Erde auf dem Mars willkommen heißen.
Das Airbus-Schiff schimmerte wie ein metallischer Turm in der Sandwüste des Mars. Es sah wirklich aus wie ein futuristisches Raumschiff, mußte Julia sich eingestehen. Kompakt, schlank und viel eindrucksvoller als ihr plumpes, zweckbetontes Habitat und ERV. Sie hielten den Dünenbuggy an, und sie machte ein paar Weitwinkel-Videoaufnahmen, die direkt zum Millionenpublikum übertragen wurden, das auf der Erde wartete.
»Wir bereiten uns darauf vor, die Besatzung der Valkyrie auf dem Mars zu begrüßen«, sagte sie, um die Tonspur zu füllen.
Raoul schaute auf die Anzeige des Strahlungsmeßgeräts, während sie sich durch die Dünen zur kontaminierten Landestelle vorarbeiteten. »Der Reaktor hat sich auf minimale Werte abgekühlt«, meldete er. »Ist nicht mehr heißer als die Umgebungsstrahlung.«
Sie war froh, daß sie eine Nacht gehabt hatten, in der die Aufregung über den Atomreaktor abgeklungen war. Über die Airbus-Betriebsart wußte niemand genau Bescheid, und manche Hochleistungs-Reaktoren hatten die Unart, die Umgebung mit Isotopen kurzer Halbwertszeit zu versauen. Zum Glück nicht hier.
Der Atomreaktor des schlanken Schiffs befand sich direkt über den Düsen, wobei die Brennstofftanks wiederum über dem Reaktor angeordnet waren, um die zwei Ebenen für die Besatzung abzuschirmen. Sie parkten am Fuß eines großen Aufzugs, legten den Kopf in den Nacken und erblickten den Hitzeschild, der den filigranen Turm krönte.
Dieses Meisterwerk der Technik war von einer Proton-Trägerrakete, die Airbus bei den Russen eingekauft hatte, in den mittleren Erdorbit geschossen worden. Dann hatten sie die Atomrakete gezündet und beschleunigt. Die obere Proton-Stufe hatten sie für die zentrifugale Schwerkraft behalten – quasi beim Konsortium abgekupfert. Über die technischen Details des Vorbeiflugs an der Venus hatte Airbus Stillschweigen
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