Sie trug einen Schleier und hatte einen Blumenstrauß in der Hand. Nach dem langen Training fühlte sie sich wie ein Schmetterling, der aus dem Kokon des Raumanzugs geschlüpft war. Axelrod hatte sie schon vor zwei Tagen eingeflogen und ihr eine Schönheitsbehandlung angedeihen lassen. Die bestand aus einer Abfolge von Fangopackungen, Gesichtsmasken, Frisur- und Schminkberatung; und auf den letzten Drücker war die Anprobe des Brautkleids erfolgt. Weil sie frühestens in drei Jahren wieder die Gelegenheit zu solchen kosmetischen Exzessen bekommen würde, ließ sie die Prozedur mit einem geduldigen Lächeln über sich ergehen.
»Meine Güte«, sagte Robbie und trug ihr Lidschatten auf. »Du siehst toll aus, Jules.« Sie schniefte. »Ich wünschte, dein Vater wäre hier.«
Julia vermißte ihn sehr. Harry war ein ausgesprochener Familienmensch, und sie hatten seit Jahren ein enges Verhältnis. Der Tod von Julias Bruder Bill hatte die drei zu einem monolithischen Block zusammengeschweißt.
Und doch wollte er nicht zu ihrer Hochzeit kommen. Was gefiel ihm an Viktor nicht?
In Harrys Abwesenheit übernahm Axelrod den Part des Brautführers. Weil er wieder einmal allein lebte, war Julias Mutter eine Woche vorher aus Australien gekommen, um der Hochzeit eine persönliche Note zu verleihen. Doch war es trotz ihrer Bemühungen eine Massenveranstaltung geworden.
Die Journalisten wurden in die Kategorien ›eingeladen‹ und ›nicht eingeladen‹ unterteilt. Erstere ließ Axelrod mit Booten vom Festland abholen, und letztere starteten mit gemieteten Motorbooten und Helikoptern eine Invasion der Insel.
Unmengen von Speisen und Getränken wurden per Schiff und Hubschrauber auf die Insel gebracht. Wenn die JSC-Truppe und die Medienleute schon feierten, dann aber richtig.
Es war soweit. Ihre Mutter ging. Es klopfte an der Tür. Julia zögerte einen letzten Moment, bevor sie einem strahlenden Axelrod in einem hellbeigen Anzug Einlaß gewährte. Er genoß das Ganze sichtlich.
»Fertig, meine Liebe?« Er trug ihr seinen Arm an, und sie gingen durch das palastartige Haus in den prächtigen Garten.
* * *
Ihre Mutter schickte Julia eine Kopie des Briefs:
AN:
[email protected] VON:
[email protected] 5. Juli 2015
Lieber Harry,
Du hast wirklich eine tolle Party versäumt! Die Axelrod-Insel sieht aus wie in diesen alten Filmen über den amerikanischen Süden. Es ist kein Haus, sondern ein Palast, der mit großen Sende- und Empfangseinrichtungen ausgerüstet ist. John muß nämlich in der Lage sein, jeden Ort auf der Erde zu erreichen. Ein weißes Herrenhaus, mit Säulen natürlich. Ich war in einer richtigen Suite untergebracht.
Im Schlafzimmer war ein Kamin, und im Bad stand eine Wanne auf einem Sockel, an der selbst Kleopatra ihre helle Freude gehabt hätte.
Mit Einhebel-Armaturen für kaltes und warmes Wasser.
Die ›schlichte Gartenzeremonie‹ war natürlich alles andere als schlicht. Essen und Trinken, daß die Tische sich bogen, Live-Musik, Zelte und so weiter. Die Leute feierten bis in die frühen Morgenstunden. Das halbe JSC muß dagewesen sein und viele NASA-Führungskräfte von anderswo. Es sah aus wie eine Versammlung der The Mars Society . Und er hatte einen Haufen Reporter eingeladen.
Aber sie benahmen sich ganz manierlich, und ihre Plätze waren während der Zeremonie mit einem Seil von den anderen Rängen abgeteilt.
Doch die Paparazzi waren eine echte Plage! Sie haben die Insel mit Hubschraubern und Schnellbooten heimgesucht! Nur wegen unserer Julia! Aber sie war es wert. Sie war eine wunderschöne Braut!
Und Viktor vermochte nicht den Blick von ihr zu wenden. Er war ja so glücklich. Ich weiß, wie du über ihn denkst, aber ich bin sicher, daß er sie liebt. Er hat mich herzlich begrüßt und gesagt, es sei ihm eine Ehre, nun zu Julias Familie zu gehören. Seine Eltern sind tot, mußt du wissen, und er ist so weit vom Rest seiner Familie entfernt.
Die eigentliche Zeremonie war schnell vorbei. Raoul und Katherine waren Brautzeugen, und Axelrod ist für dich als Brautführer eingesprungen. Sie hatten sich für eine standesamtliche Trauung entschieden, und John hatte einen Richter bestellt – ich glaube, es war ein Freund von ihm, ein Richter am Obersten Gericht von North Carolina. Die Sängerin war sehr gut. Sie sang ›Amazing Grace‹ und noch ein paar andere Lieder mit einem Hauch von Jazz.
Die Torte war unglaublich. Es war natürlich der Mars: eine große Kugel mit rotem Zuckerguß. Julia mußte sie