Das Rennen zum Mars
Axelrod gleichmütig. »Partner des Konsortiums.«
Raoul sprang für seine Frau in die Bresche. »Ich glaube, daß wir die Rechte an unserer Geschichte haben.«
»Das stimmt.« Axelrod nickte heftig. Er saß auf seinem Mahagoni-Schreibtisch, wobei außer ihm nur noch die vier im Raum waren.
Ein solches Treffen im kleinen Kreis war eine Seltenheit. Er hatte Champagner kommen lassen, um die ›Konsolidierung‹ des Teams zu feiern, wie er es nannte.
»Dann sollten wir der Presse auch persönlich Rede und Antwort stehen«, sagte Raoul.
»Das werdet ihr – wenn ihr die Früchte erntet. Im Moment seid ihr aber noch im Training.«
»Gut«, sagte Viktor. »Wir haben also Sprechverbot mit diesen Kameraden.«
Axelrod lächelte. »Einen Maulkorb will ich euch nun auch nicht verpassen. Wir werden die Pressekonferenzen aber leiten. Ihr behaltet eure Geschichten vorerst für euch, und unsre Rechtsabteilung wird für die Erfüllung eurer Verträge sorgen.«
»Verträge?« fragte Viktor.
»Eure Memoiren, Interviews und so weiter«, sagte Axelrod jovial.
»Ihr wollt doch zurückkehren und eure Geschichte erzählen, oder?«
Sie gehörten nun zur Prominenz. Die Welt geriet in einen ›Mars-Taumel‹, und die vier rückten in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.
Zuerst wurden sie zu allen großen gesellschaftlichen Ereignissen in Houston eingeladen, die von Leuten veranstaltet wurden, die ihnen völlig unbekannt waren. Später erhielten sie Einladungen aus dem ganzen Land. Möchtegern-›Mega-Milliardäre‹ – mit dieser Bezeichnung hatte die Presse wohl etwas danebengegriffen – erboten sich, sie mit Privatflugzeugen zu Nobelherbergen zu fliegen. Geld spielte keine Rolle. Jede Party wurde zum Kracher, wenn einer oder gar ein Paar der Mars-Astronauten anwesend war.
»Wieder so ‘ne große Sause«, sagte Julia eines Morgens, während sie die letzten Einladungen sichtete. »Findet in New York statt. Hast du Lust?«
»Halligalli machen? Ich glaube nicht. Zu viel Kaviar ist schlecht für die Figur, und schließlich müssen wir in Form bleiben.« Mit gequältem Gesichtsausdruck legte er sich die Hand auf die Leber.
Das war ein Spiel, das sie sich ausgedacht hatten. Julia las Viktor die schärfsten Einladungen vor, und er tat so, als ob er sie ernst nähme.
Das war ihre Art, mit der verrückten Situation fertig zu werden.
Als Astronauten waren sie ›Dutzendgesichter‹ gewesen und hatten sich unter hundert anderen verloren. Niemand hatte sie auf der Straße erkannt, sie um ein Autogramm gebeten oder irgendwohin eingeladen. Und nun waren sie plötzlich Hyper-Stars und Mega-Prominente, die außerhalb des JSC auf Schritt und Tritt von Paparazzi-Rudeln verfolgt wurden. Axelrods Sicherheitsdienst schob sie zwischen den abgeschirmten Unterkünften und dem Trainingszentrum hin und her.
Sie hatte freilich nicht damit gerechnet, daß ihr Leben derart aus den Fugen geraten würde. Wenigstens waren die gehässigen Kommentare, die in ein paar Käseblättern erschienen waren, eingestellt worden, nachdem sie ihre Hochzeit bekanntgegeben hatten. Schon erstaunlich, welch disziplinierende Wirkung so ein Blatt Papier mit einem Behördenstempel hatte. Trotzdem hatte sie das Gefühl, das alles sei aus heiterem Himmel über sie hereingebrochen, während sie gerade mit anderen Dingen beschäftigt war. Mit ihrem Beruf zum Beispiel.
»Es wäre mir lieber, die Leute würden uns erst dann feiern, wenn wir auch etwas geleistet haben.«
»Ja. Aber vielleicht werden sie dann keine Gelegenheit mehr dazu haben.«
Gut gebrüllt, Löwe , sagte sie sich mißmutig. Vielleicht ist unser Tod das einzige, woran man sich noch erinnern wird.
* * *
4. Juli 2015.
Eine Axelrod-Ironie, am Unabhängigkeitstag ›die Freiheit zu verlieren.‹ Die Hochzeit fand sechs Wochen später auf Axelrods Privatinsel vor der Küste von North-Carolina statt.
»Nur eine schlichte Hochzeit im Garten«, sagte er zu Julia und Viktor. »Überlaßt alle Vorbereitungen mir. Ihr konzentriert euch auf den Mars.«
Das war ganz in Julias Sinn. Sie mochte nämlich keine Hochzeitszeremonien und war auch nicht daran interessiert, eine zu organisieren. Für den Fall, daß sie überhaupt heiraten sollte, hatte sie sich immer vorgestellt, daß die Ehe im Standesamt geschlossen würde, in Anwesenheit von ein paar Freunden.
Doch hier stand sie nun, in einem langen weißen Kleid und sah aus wie ein Modell für Brautkleider. Ihr kurzes brünettes Haar war sorgfältig frisiert.
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