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Das Rennen zum Mars

Das Rennen zum Mars

Titel: Das Rennen zum Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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aufgerissen – und alles umsonst.«
    Bevor die Konversation wieder zu einer Konfrontation ausartete, zog sie ihre Trumpfkarte aus dem Ärmel.
    »Raoul, ich habe keinen Grund, deine Beurteilung des Staub-Problems anzuzweifeln. Man kann von dir und Viktor keine Hexerei erwarten. Falls die Dichtungen spröde sind und Materialermüdung eingetreten ist, trägt die NASA die volle Verantwortung dafür. Es handelt sich nicht um einen mechanischen Defekt, sondern um einen Konstruktionsfehler . Das ERV, das du zu reparieren versuchst, war ohnehin nur als Vorratslager für Brennstoff und Sauerstoff konzipiert. Unser Retour-Schiff hätte nach uns starten sollen und nicht schon zwei Jahre früher. Die Erde muß uns einen neuen Kahn schicken.«
    Raoul schaute sie überrascht an.
    Viktor hatte Julia mit seinen Äußerungen dafür sensibilisiert, daß Raoul wegen der Reparaturen schier verzweifelte. Bei jedem neuen System, das er überprüfte, stellte er den gleichen schleichenden Zerfall fest. Die Instandsetzung war eine Sysiphusarbeit, und das Gewicht des Steins drohte ihn zu erdrücken. Doch aufgeben würde er nicht. Durfte er nicht. Der Stolz des Lateinamerikaners in Verbindung mit der Astronautenausbildung verlieh ihm ein Supermann-Image.
    Viktor hatte das letzte Wort. »Raoul und ich wollen noch einen Test durchführen – mit der Einzelleitung, und zwar bald. Falls dann immer noch Probleme auftreten sollten, werden wir Julias Vorschlag befolgen.«
    Alle nickten. Niemand sagte etwas. Für den Bestand des zerbrechlichen Friedens war Schweigen der beste Garant.
    Er hatte als Kommandant die Entscheidung getroffen. Eine hohe Hürde war genommen worden. Sie hatte die anderen mit ihrer Einschätzung überrumpelt und damit Erfolg gehabt.
    Doch Julia war noch immer unzufrieden. Sie knirschte mit den Zähnen.
    Verdammt. Ich kann nicht sofort losfahren. Ich muß erst den Test abwarten. Aber vielleicht ist es besser so. Schließlich sind es fünfundsechzig Millionen Kilometer bis zum nächsten Lebensmittelgeschäft.

Kapitel 13
14. Januar 2018
    Das Medienecho war enorm. Sie alle spürten es, auch wenn das Konsortium sie wie durch eine Mauer vor der Medien-Meute abschirmte.
    Sie erhielt ein langes E-Mail von Robbie und Harry und der ganzen Verwandtschaft. Hatte man einmal Ruhm erlangt – das hatte sie inzwischen begriffen –, standen sogar die entferntesten Verwandten auf der Matte. Sie erinnerten sich an markante Momente aus der Kindheit, die bereits mit Vorzeichen für den zukünftigen Marsflug befrachtet gewesen waren – das alles wurde in Talkshows und Doku-Seifenopern breitgetreten, so daß es letztlich überhaupt keine Rolle mehr spielte, ob Julia selbst sich noch an diese Episoden erinnerte.
    Sie mußte sich eingestehen, daß sie zur Zynikerin geworden war.
    Weil sie jahrelang dem größten Übel des Internet ausgesetzt gewesen war – mit unendlich vielen Brieffreunden gesegnet zu sein –, war sie für die Absurdität der ganzen Sache sensibilisiert worden.
    Nun befand sie sich wirklich in Gefahr, und dennoch wurde von ihr erwartet, daß sie sich die Zeit nahm, Zuschriften zu beantworten.
    Die anderen sahen das genauso, nur daß jeder von ihnen eine individuelle Taktik entwickelte.
    Viktor verschickte seit langem nur noch Bilder, und auch nur an seine Mutter. Raoul schickte E-Mails an Katherine und ein paar andere Leute. Marc indes verfaßte allgemein gehaltene Briefe, die dann einer großen Zahl von ›guten Freunden‹ zugestellt wurden. Julia betätigte sich auch schriftstellerisch, wobei sie aber versuchte, nicht nur Briefe nach Vorschrift zu schreiben, sondern sie etwas aufzupeppen. Das Konsortium hatte das vertragliche Recht, diese Briefe durchzusehen, gelungene Passagen abzuschöpfen und als ›Journalismus vom Mars‹ unter seinem Namen zu veröffentlichen, nachdem sie von Lektoren stilistischen Feinschliff bekommen hatten und von Axelrod lizensiert worden waren. So lief es eben im Showgeschäft.
    Selbst in dieser Krise funktionierte das System. Die Macht der Gewohnheit, zumal sie während des langen Flugs zum Mars das Bedürfnis entwickelt hatten, sich von den anderen abzusondern und auch einmal mit anderen Menschen als den drei Vögeln zu kommunizieren, mit denen sie sonst immer zusammenhockten.
    Bisher hatten sie nur eine echte Krise durchlebt, wobei die Umstände die gleichen gewesen waren wie heute – nur daß sie quasi im Zeitraffertempo abgelaufen war.
    Drei Tage nach dem Verlassen des niedrigen Erdorbits und

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