Das Rennen zum Mars
Signale. Wenn jeder Atemzug von einem komplexen System ineinander verzahnter Funktionen – chemisch, hydraulisch und elektrisch – abhängt, achtet man auf jedes noch so kleine Warnsignal.
Dann wechselte Marc an der Konsole zur Rubrik Allgemeine Mitteilungen , und es erschien Axelrod, wie sie gehofft hatten. Er trug eine graue Hose mit rasiermesserscharfen Bügelfalten, einen marineblauen Blazer mit Goldknöpfen und gesticktem Anker, ein gelbes Hemd und eine dazu passende graue Krawatte – ein bunter Vogel. Julia versuchte, seinen Gesichtsausdruck zu dechiffrieren, doch ohne Erfolg.
»Hoffe, ihr hattet einen guten Tag. Wir warten auf die Meldung über den aktuellen Stand der Reparaturarbeiten. Ich weiß, daß es nur langsam vorangeht, aber ihr seid die Besten. Ich setze mein ganzes Vertrauen in euch.«
»Er wirft mit Komplimenten um sich«, sagte Raoul. »Das ist immer ein schlechtes Zeichen.«
»Ich habe harte Verhandlungen mit Airbus geführt, wie ich es versprochen hatte. Hab ihnen ein gutes Angebot gemacht, muß ich sagen. Wenn ihre Atomrakete wirklich so viel Bums hat, wie sie behaupten, sollte man meinen, daß sie imstande sind, euch auch noch mitzunehmen. Stimmt’s?« Er zwinkerte ihnen zu. »Nicht daß ich glaube, ihr hättet das nötig, es ist nur eine Option. Aber …«
Er wandte den Blick von der Kamera, was untypisch für ihn war.
»Ähem …« sagte Marc. Axelrod richtete den Blick wieder auf sie, und die zu einem Strich zusammengezogenen Brauen sagten Julia, daß er sich beherrschen mußte. »Sie haben mich abblitzen lassen.
Wären nicht interessiert, sagten sie. Sei für sie kein Geschäft, sagt dieser aalglatte Chinese mir glatt ins Gesicht.«
Axelrod hatte so viel Sinn für Dramaturgie, daß er einen Seufzer ausstieß und die Augen niederschlug, um ihnen Zeit zu geben, das zu verdauen. Julia spürte den Zorn, der sich um sie herum aufbaute, sah es an den zusammengepreßten Lippen und den gesenkten Blicken.
»Sie sind in der Hoffnung gestartet, daß es uns nicht gelingen wird, das ERV zu reparieren«, konstatierte Marc. »Verdammt! Sie müssen nun einen Freudentanz aufführen.«
»Ein kalkuliertes Risiko«, pflichtete Raoul ihm bei. »Haben gegen mich gewettet.«
»Gegen uns«, korrigierte Viktor ihn. »Schließlich sind wir ein Team.«
»Aasgeier«, sagte Julia. Die Gedanken jagten sich in ihrem Kopf, während sie nach einem Ansatzpunkt suchte, einem neuen Plan, einem Ausweg.
Axelrod schaute sie hilflos an. »Wollten die Optionen nicht einmal erörtern . Als ob ich gegen jemanden gespielt hätte, der alle Trümpfe in der Hand hat. Sie haben nur gelächelt und ›Besorgnis bekundet‹« – an dieser Stelle hob er die Augenbraue, um sie gleich wieder sinken zu lassen – »und sagten, daß sie keinesfalls mit uns ins Geschäft kommen wollten. Keinesfalls .«
»Sie haben uns einfach abgebürstet?«, fragte Julia ungläubig. Unsre ganze Hoffnung, unsre Pläne, die harte Arbeit … wozu soll das alles gut gewesen sein, wenn wir doch nicht nach Hause kommen? Sie verspürte einen Anflug von Verzweiflung.
»Wenn ich Airbus wäre«, sagte Viktor grimmig, »würde ich mir später über uns Gedanken machen. Nachdem ich gelandet bin.«
»Wieso sagst du so etwas?«, fragte Julia.
»Sie werden mit hoher Geschwindigkeit reinkommen«, sagte Viktor. »Die Luftbremsung wird für sie ein ganz schönes Problem sein.
Wenn sie in Kürze landen – vielleicht in zwei Wochen –, wird ihre Trajektorie sie mit einer höheren Delta Vau reinbringen, als es bei uns der Fall war. Vielleicht mit sieben oder acht Kilometern pro Sekunde. Sie werden viel Energie aufzehren müssen.«
»Das wäre nur möglich, wenn sie ein kleineres Schiff haben als wir«, sagte Raoul.
»Und in diesem Fall werden sie nicht viel Platz an Bord haben«, sagte Julia und stöhnte innerlich.
»Nein, das ist nicht auf dem Mist der Airbus-Besatzung gewachsen«, sagte Marc. »Die gottverdammten Anzüge sprechen eine andere Sprache.«
»Tragen sie überhaupt Anzüge in China?«, fragte Julia. »Sieht eher nach Uniformen aus.«
»Willst du damit sagen, daß die chinesische Regierung diese Entscheidung getroffen hat?«, fragte Viktor mit ruhiger Stimme. Er versuchte, das professionelle Niveau der Diskussion aufrechtzuerhalten und zum Kern der Sache zu kommen.
»Airbus ist ein Konglomerat von Unternehmungen, das durchaus planwirtschaftlichen Charakter hat«, sagte Julia. »Wer weiß denn schon, was in den Köpfen der Funktionäre
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