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Das Rennen zum Mars

Das Rennen zum Mars

Titel: Das Rennen zum Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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oder?«
    »Nein.«
    »Na gut. Ich werde die Sauerstoffflaschen zur ersten Sohle herunterlassen. Du müßtest nur so weit aufsteigen, um sie abzuholen.
    Dann werde ich nachkommen.«
    »In Ordnung, klingt gut. Los geht’s!«
    Er drehte sich um und schickte sich an, die steile Wand zu erklimmen. »Also in einer halben Stunde auf der ersten Sohle.«
    »Alles klar.«
    »Julia …«
    »Wir sehen uns in einer halben Stunde«, sagte sie aufgekratzt und setzte den Abstieg fort.
    In völlige Dunkelheit. Der Schein von Marcs Helmlampe verblaßte schnell. Das Gefälle war relativ flach, und sie bewegte sich auf einen schmalen Sims zu. Das Abwickeln des Seils beanspruchte ihre ganze Aufmerksamkeit. Methodisch und sorgfältig mußte man vorgehen.
    Vor allem dann, wenn man in einem dunklen Loch auf einer fremden Welt den Hals riskierte.
    Trotz der Risiken verspürte sie eine eigentümliche Leichtigkeit des Seins – sie war frei. Frei auf dem Mars. Vielleicht zum letztenmal.
    Sie hatte freie Hand, das zu lösen, was das wohl größte Rätsel ihrer wissenschaftlichen Karriere darstellte. Sie durfte nicht auf halbem Weg kehrtmachen.
    Plötzlich mußte sie an ihren Bruder Bill denken. Marc hatte Ähnlichkeit mit ihm, war aber viel zurückhaltender. Bill hatte mit unerschöpflicher Energie das Leben geradezu im Sauseschritt genommen und jeden Tag bis zur Neige ausgekostet. Sie hatten schon in der Kindheit zusammen Ausflüge unternommen und im Erwachsenenalter Exkursionen als Biologen. Er war nicht zu stoppen: in der Früh raus und spät abends zurück. Der Tag hätte sechsunddreißig Stunden haben müssen bei dem Pensum, das er sich selbst auferlegte.
    ›Mach langsam, morgen ist auch noch ein Tag‹, hatte er immer zu hören bekommen.
    Doch in gewisser Weise hatte seine innere Uhr schon richtig getickt. Mit zweiundzwanzig Jahren erfüllte sich sein Schicksal, als er in einer regnerischen Nacht – wo jeder vernünftige Mensch zuhause geblieben wäre – mit dem Motorrad unterwegs war und mit einem Lkw zusammenstieß. Als Julia bei der Beerdigung den Blick durch die Kirche schweifen ließ, hatte sie das Gefühl, er hätte mehr vom Leben gehabt als die meisten Trauergäste im mittleren Alter. Bill hätte sie ermuntert, weiterzumachen – dessen war sie sich sicher.
    Als der Lichtstrahl des Handscheinwerfers flackerte, schreckte sie auf. Sie schaute nach unten und schüttelte die Lampe. Der Strahl stabilisierte sich wieder. Verdammt, nicht jetzt.
    »Marc! Bring auch Batterien mit. Die Lampe macht’s nicht mehr lang.«
    Eine lange Pause. Hatte er sie überhaupt gehört? Sie vertraute darauf, daß das Signal durch den dünnen Draht im Monofaser-Kabel transportiert und anschließend vom Rover an ihn weitergeleitet worden war. Eine Rückversicherung für Fälle wie diesen, wenn keine Sichtverbindung zwischen ihnen bestand. Doch bestand die Verbindung überhaupt noch, nachdem sie für 500 Tage den hier herrschenden brutalen Witterungsbedingungen ausgesetzt gewesen war?
    »Ja, verstanden. Mußte erst den letzten langen Abschnitt bewältigen.«
    »In der Ruhe liegt die Kraft.«
    Wegen des Geschirrs vermochte sie sich nicht umzudrehen. Vor allem die verstärkte Schulterpartie des Anzugs war ein Handicap.
    Sie entledigte sich der Ausrüstung und hielt sie in der Hand, während sie vorsichtig einen Vorsprung umrundete. Es war ein gutes Gefühl, nicht mehr ›an der Leine zu hängen‹. Allmählich hatte sie den Bogen raus. Man mußte sich hier unten langsam und gleichmäßig bewegen und sich an markanten Details orientieren.
    Die Matte war hier dicker, wie sie es bei der Annäherung an den ominösen Ursprung auch erwartet hatte.
    Sie landete auf einem breiten Vorsprung und schritt ihn zügig ab.
    Sie wußte, daß die Zeit drängte. Der mit Mars-Matte ausgelegte Untergrund war zwar rutschig, aber auch so rauh, daß sie dennoch Tritt faßte. Tut mir wirklich leid , tat sie der Matte in Gedanken Abbitte, daß ich auf dich drauflatschen muß.
    Der Lichtstrahl des Handscheinwerfers flackerte erneut und erlosch dann endgültig. Sie schüttelte die Lampe und neigte den Kopf, um sie mit der Helmlampe zu inspizieren, als sie plötzlich einen Schlag auf den Kopf bekam.
    Die Lampe ging aus.
    Sie fiel nach hinten. Es war wie im Traum – viel Zeit, aber nichts zu greifen.
    In Zeitlupe in die Dunkelheit des Mars.

Kapitel 19
19. Januar 2018
    Sie vernahm eine leise, blecherne Unterhaltung, die von Rauschen überlagert wurde.
    Geisterstimmen … klangen wie

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