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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hoher, spitzer, kehliger Schrei. Er erkannte die Stimme sofort: Tama, die mit Lanei'ta hinter ihm gegangen war, hatte ihn ausgestoßen.
    Ron drehte sich um und stand wie erstarrt.
    »Mein Gott«, hörte er Hendrik murmeln, »hat sie den Verstand verloren?«
    Die helle Form von Lanei'tas Körper war immer noch klar unter der Wasseroberfläche auszumachen. Sie schwamm hinaus in die Bucht. Und dort, wo sie ins Wasser gesprungen war, bildeten sich konzentrische Kreise. Am Ufer lag ihr Kleid. Das blaue Häufchen Stoff wirkte sehr einsam.
    Was war jetzt in Hendrik gefahren?
    »Hendrik!« schrie Ron, »Hendrik, laß den Quatsch!« Hendrik Merz stand auf einem großen, grauen Stein. Die Mühe, Jeans und Jeanshemd abzustreifen, machte er sich nicht. Er streckte sich nach vorne, federte ab, war schon im Wasser und näherte sich mit schnellen, geschickten Kraulbewegungen der Stelle, wo er Lanei'ta vermutete.
    Nie war sich Ron mit seinem verfluchten kaputten Arm so hilflos vorgekommen wie in dieser Sekunde, als er am Ufer stand und mit brennenden Augen die Wasserfläche nach dem Flossendreieck oder dem dunklen, tödlichen Torpedoschatten der Gefahr absuchte.
    Ruhe, sagte er sich. Reg dich nicht auf. Er sah Lanei'tas Kopf auftauchen und das schwarze Haar, das auf ihrem Gesicht klebte, und die weißen Zähne, die lachten … und Hendriks Hände, die nach diesem lachenden Gesicht griffen, nun nach den Schultern. Und während er noch immer halb benommen vor Sorge und halb erleichtert die beiden anblickte, sagte er sich: Das alles hast du doch selbst schon erlebt! Damals, im Juni vor zwei Jahren, als du halb besinnungslos vor Haiangst über die Felsen zum Wasser ranntest und Tama dir unversehrt, nackt und strahlend wie eine Göttin aus den Wellen entgegenkam, eine Perle in der Hand, die größte Naturperle, die sie je gefunden hatten …
    »Paß auf! – Lanei'ta!« schrie Tama.
    Und diesmal war Panik in ihrer Stimme.
    Ein leichter Wind hatte die Bucht mit vielen winzigen Wellen schraffiert. Hinter Hendrik und Lanei'ta war dieses Muster unterbrochen. Es war geglättet wie durch die unsichtbare Kraft eines Sogs. Ron erahnte, nein, erkannte nun die Ursache: Die dunkle, gefährliche Lanzenform des Raubfischs, vielleicht dreißig, jetzt zwanzig Meter von Hendrik und Lanei'ta entfernt, die bereits im seichten Wasser mit rudernden Armen und verzerrten Gesichtern dem Ufer zustrebten.
    Tama rannte.
    Sie war jetzt selbst im Wasser, erreichte einen großen Fels, kletterte hoch, ergriff die ausgestreckte Hand ihrer Schwester.
    Verzweifelt ruderte Ron mit dem gesunden Arm, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Er rutschte erneut und knallte mit den Zehen gegen den nächsten Felsen. – D U BIST WIE EIN V OGEL , DER RENNT , WEIL ER NICHT FLIEGEN KANN …
    Diesmal war es zuviel. Er ging in die Knie. Alles hatte sich gegen ihn verschworen. Zorn und Schmerz trieben Tränen in seine Augen, und durch den Schleier sah er den Felsbrocken, auf dem Tama und Lanei'ta standen. Wo blieb Hendrik? Himmelherrgott – wo ist Hendrik?!
    Er stieß sich mit der Handfläche ab, taumelte weiter, nicht viel aufmerksamer als zuvor. Wieso auch, es war doch alles egal …
    Drüben schrien sie. Tamas Stimme. Lanei'tas – die Schwesternstimmen. – Stimmen wie Peitschen … Ron keuchte. Gottverdammt – wenn es Hendrik erwischt!
    Wasser spülte über den Fels, er schlitterte erneut, fiel selbst in die Bucht, spürte, wie sein Verband naß wurde, planschte hilflos herum und lehnte keuchend und erschöpft den Rücken gegen einen Steinbrocken. Noch immer war der Streifen, den der Hai gezogen hatte, auszumachen. Hendrik war nirgends zu sehen. Tama und Lanei'ta knieten dort drüben. Weiter draußen aber, im tiefen Wasser, öffnete sich die Oberfläche wie nach einem Schnitt, und in dieser tiefblauen Wunde erschien ein schimmernder, braun-grau gefleckter, riesiger Fischleib, verschwand, wurde durch das steile Schwarz einer Flosse abgelöst, kam wieder …
    Hendrik! dachte er. – G'erenge holt ihn sich! Und Nomuka'ta … Hör auf mit dem Nonsens! Ist sowieso alles Wahnsinn. Aber wenn Hendrik …
    »Ron!«
    Den Arm spürte er nicht mehr. Der war sowieso naß, und das war gut, aber die Panik begann von ihm zu weichen – langsam, zögernd, so wie Schnee, der im Nacken taut: ja, da stand Hendrik! Und winkte sogar herüber.
    Er hat ihn nicht erwischt! Der Hai hat ihn vielleicht gar nicht erwischen wollen, hat nichts getan, als das alte, hundsmiserable, dreckige Spiel zu spielen

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