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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Erfahrung verlassen müssen, die ihm das Schlauchboot eingebracht hatte.
    Die Dinge, die ich zurückbringe, Tama, werden unser Leben viel, viel glücklicher machen …
    Nun stolperte er über die Dinge, die ihr Leben ›glücklicher‹ machen sollten.
    Während er oben im Cockpit stand und in die endlose blaue Weite starrte, sich in der Kombüse am Elektrogrill irgendeine Konserve erhitzte oder beim Satellitenfernsehen Zeuge wurde, wie in einer fernen, halbvergessenen Welt, in diesem neuen, sonderbaren, wiedervereinigten Deutschland Polizisten auf Demonstranten einknüppelten – und umgekehrt –, fragte er sich, ob es wohl etwas gäbe, das ihr Glück noch steigern könnte.
    Nachts mit Tama an der Lagune zu sitzen, ihre Hand auf der Schulter zu spüren, ihr Lächeln zu sehen, wenn sie das Kind ihrer Schwester streichelte oder ihm am Morgen das Frühstück zubereitete, ihr Gesicht, ihr Atem, ihr Körper, ihre Gegenwart – gab es ein größeres Glück?
    Gott, gib es, sagte sich Ron, wenn er bequem auf seinem Rundbett lag, während die Motoren gleichförmig summten und die ›Paradies‹ unbeirrt ihren Kurs zog, Gott, gib es, daß es nie anders wird …
    Ron warf das Fernglas weg und rannte zum Schirm. Auf dem Sichtgerät ließ der Zeiger gerade ein längliches, verschwommenes Gebilde aufleuchten.
    Die Insel!
    Tonu'Ata …
    Er warf beide Arme in die Höhe, tanzte im Cockpit herum, schrie: »Ich hab's geschafft!« Schrie: »Tama!« Schrie: »Tama, da bin ich! Staunen wirst du! Und nicht nur staunen. Tama, Liebling – mein Gott …«
    Es reichte ihm noch immer nicht. Er rannte in die Kajüte, griff sich die nächste Platte, schob sie in den supermodernen CD-Player, gab dem Verstärker vollen Schub, und was nun aus den Lautsprechern donnerte, war Wagners Walküren-Ritt.
    Ausgerechnet. – Doch warum eigentlich nicht?
    Er ließ all den Streichern, Trompetern und Paukern ihren Spaß und gab noch den Klang seiner 600-PS-Dieselmotoren dazu.
    Und sang.
    Langsam schoben sich die drei Berge der Insel über den Horizont …
    Vielleicht, dachte Ron später, vielleicht wirst du einst deinem Sohn erzählen, wie das ist, wenn man von einer solchen Fahrt nach Hause kommt – wohlgemerkt zu einer allgemein unbekannten Insel heimkehrt und alle am Strand stehen … Was heißt stehen – losrennen, lospaddeln, losschwimmen.
    »Aber das war ja nicht das Aufregendste, Junge«, wirst du ihm sagen. »Stell dir doch vor, wie das ist, wenn Menschen, die noch nie etwas Raffinierteres als ein Beil, einen Hammer, ein Messer, eine Säge oder eine Schere in der Hand gehabt haben, plötzlich mit den Errungenschaften der Technologie konfrontiert werden. Daß ein Boot einen Motor haben kann, nun, das wußten sie schon. Gilbert Descartes hatte es ihnen beigebracht, aber eine Nähmaschine zum Beispiel … Ein Stromgenerator, der losfaucht, blauen Dampf spuckt und dann auch noch Lampen hell erstrahlen läßt … Ja, und vor allem, mein Junge, was glaubst du, was passiert ist, als ich die Leute auf die ›Paradies‹ nahm und dein Großvater zum ersten Mal in eine Bildröhre blickte. Und auf der tanzten ausgerechnet in dem Moment nackte Mädchen. Daß sie nackt waren, interessierte ihn nicht. Aber wie sie die Beine schmissen und was sie alles auf dem Kopf trugen …«
    Vermutlich würde sein Sohn dann ein Gähnen verbergen, sich der eigenen Glotze zuwenden, um sich seinen Lieblingsclip reinzuziehen … TV-Geräte würden sowieso in jedem Haus stehen. Durch die Lagune würden die Motorboote flitzen und die Wasserskiläufer hinter sich herziehen, denn Wasserskilauf, das mögen die Touristen.
    Ja, und an einer Mole gibt's dann eine Zapfstelle und eine Bar und einen Erfrischungsstand, an dem irgendein Typ aus dem Dorf Coca-Cola verkauft …
    Es war ihm nie ganz wohl, wenn er an all die Segnungen dachte, die er an diesem Tag an Land schaffte. Damals aber glaubte er noch an sie. Und seine Rechnung schien aufzugehen: Die Arbeit auf Tonu'Ata war einfacher geworden, selbst Tápana sah es so. Nur einer hielt sich abseits: Nomuka'ta …
    ***
    Vom Tag seiner Rückkehr an wechselte der Priester von Tonu'Ata kein Wort mehr mit Ron. Nomuka'ta sah weg, wo immer sie sich begegneten. Oder er blieb einfach stehen, auf seinen Stock gestützt und versuchte den Weißen mit seinen dunklen Blicken zu durchbohren.
    Als die Trommeln drei Tage lang die Hochzeitsfeier begleiteten, die Tápana seiner Tochter und Ovaku bereitete, ließ der Medizinmann sich nicht ein einziges Mal

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