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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Priesters – hatte er nicht alles vorausgesehen? Wer konnte sagen, ob er nicht tatsächlich mit irgendwelchen höheren Kräften, mit Göttern, mit seinen Göttern in Verbindung stand?
    Onaha, die Göttin der Schildkröten, der Fruchtbarkeit und des Friedens hatte sich abgemeldet, ihr Bruder G'erenge, der Gott des Krieges und der Stürme, schickte die Haie …
    Und sie kamen!
    Angelockt von den zerfetzten Leibern der Toten, den von Detonationen zerrissenen Austernbänken, kamen sie in Scharen. Um dies zu verstehen, brauchte es keinen Hai-Gott: Blut und Fleisch waren Erklärung genug.
    Die Hölle dieser absurden, aberwitzigen Schlacht vor zwei Jahren hatte nicht länger als dreißig Minuten gedauert. Doch sie hielt an. Die Haie sorgten dafür. Sie hatten die Herrschaft in der Bucht übernommen. Graue, stumme Schatten, die alles bedrohten, was ihnen zu nahe kam. Und es waren keine harmlosen kleinen Tiere, keine Hunds-, Glatt- oder Schwarzflossenhaie. Das, was sich in der Bucht so wohl fühlte, das waren extrem große Tiere, Monster, so wie der ›Weiße‹, dem Ron begegnet war …
    Noch immer goß Ron Edwards jede Woche einmal ein Glas Whisky über die Blumen, die Lanei'ta auf Jack Willmores Grab legte. Und ging ihm der Stoff aus, mußte eben eine Schale Kawa genügen. In den polierten Basaltstein, der das Grab schmückte, hatte er die Worte ›Jack Willmore, dem Freund‹ gemeißelt, und die Feuchtigkeit hatte Buchstaben und Jacks Geburts- und Todestag mit einem grünen Moosschimmer ausgefüllt.
    Die Haie aber blieben.
    Die Menschen von Tonu'Ata nahmen es mit Gleichmut. Die Götter wollten es so. Und folgerichtig war daher auch, daß sie über Ovaku, und nur über ihn, das Tabu, den Bannfluch aussprachen, der ihm das Betreten der Bucht verbot. Wie sonst sollten sie die Geister beruhigen, den Hai-Gott zufriedenstellen? Für Nomuka'ta, den Medizinmann, aber war noch immer kein Nachfolger gefunden.
    Nomuka'ta ist nicht tot, hatte Tama gesagt. Und die anderen auch nicht. Sie sind alle hier …
    Vielleicht hatte Tama recht. Auch er hatte schon ähnliches gedacht, er dachte es, wenn Tama ihn ansah – mit diesem dunklen Blick, der soviel Abstand zwischen ihnen schuf. Er dachte es in seinen Nächten, seinen Träumen, seinen Alpträumen.
    Auch jetzt wieder, heute, da er zum ersten Mal nach zwei Jahren getaucht war, um dem großen weißen Hai, seinem Feind und Herausforderer, zu begegnen …

3
    Rons Gedanken tasteten sich in die Gegenwart zurück. Müde fühlte er sich, zerschlagen bis auf die Knochen. In ihm war jetzt nichts als eine sonderbare, alles umfassende Leere.
    Der Rumpf der ›Paradies‹ schwang hin und her. Leise plätscherte das Wasser gegen die Bordwand. Er hörte sich atmen, zwang sich zur Ruhe und versuchte das Bild zu vergessen, einfach zu löschen, wegzuwischen: das Bild des gewaltigen Fischleibs, der da weiß und schimmernd vor seinen aufgerissenen Augen vorübergezogen war; das Bild der drei kleinen Pilotfische, die sich an diesem Monsterbauch festgesaugt hatten und selbst aussahen wie Miniaturausgaben von Haien. Ja, und dann dieser grauenhafte, halbmondförmige Schnitt des Haimauls, die kleinen, starren Augen …
    Er stand auf, suchte die Kleider, fand sie in der Mannschaftskajüte und zog sich an. Von dort ging er wieder hinauf ins Cockpit. Das Echolot zeigte dieselbe Wassertiefe wie zuvor. Der Anker hielt.
    Neben dem Kompaßgehäuse lagen, wie immer, eine Zigarettenschachtel und das Feuerzeug. Er zündete sich eine Zigarette an und starrte hinaus. Es hatte zu regnen begonnen. Die Tropfen liefen über die schrägen Panzerglasplatten der Steuerstandverkleidung.
    Langsam ließ er den Blick wandern, suchte die vertraute Kulisse der Bucht ab, sah zum Hang über der Bucht hoch, zu der Stelle, von der aus Nomuka'ta sie immer beobachtet hatte. Dann blickte er wieder zu der großen Steinplatte bei den beiden Felsen.
    Wie oft hatte er mit Tama dort drüben gehockt! Sie hatte die Fische vorbereitet, die er für das Essen harpuniert hatte. Und dann brieten sie sie, hungrig, wie sie waren, auf dem Rost. Er sah Tamas Gesicht vor sich, entspannt vom Essen, die Augen geschlossen, das nasse, schwarze, glänzende Schlangenhaar auf dem Stein. Und es war ihm, als könne er den Geruch des gebratenen Fischfleisches riechen. Manchmal hatten sie sich danach geliebt, und ihr verzücktes Seufzen mischte sich mit dem Murmeln der Wellen. Er drückte die Zigarette aus, stieg durch den Niedergang und öffnete im Bad eine der

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