Das Riff der roten Haie
ihn an Tama.
Aber wahrscheinlich war er dazu verflucht, daß ihn nun alle Mädchen irgendwie an Tama erinnerten. Auf beiden Armen trug sie einen ganzen Berg flacher Schachteln.
»Pardon, Monsieur. Sie haben an der Rezeption angerufen? Ich komme von der Boutique und habe hier …«
»Natürlich, natürlich!« rief Ron munter. »Nur herein. Kommen Sie, ich helfe Ihnen.«
Das tat er auch. Dieser grüne Minirock, der hauteng ihre Schenkel umspannte. Und wie sie ging! Und was für Schenkel das waren! Und das Lächeln, die Augen … Unfair eigentlich, ihm so früh die fleischgewordene Verführung ins Zimmer zu schicken.
Er suchte sich eine weiße leichte Leinenhose aus. Gut, die Slipper hier. Größe zweiundvierzig. Und dann das weiße Hemd mit den breiten schwarzen Streifen.
»Und für abends, Monsieur?«
»Wieso für abends?«
»Wir haben da gerade eine neue Lieferung aus Paris bekommen. Aber das müßten Sie sich schon unten bei mir ansehen. Gehen Sie denn abends nie aus?« Und wieder der Blick unter langen Wimpern hervor. »Nein«, sagte Ron, bezahlte und half ihr mit den Schachteln bis zur Tür. Sie ging. Nicht mehr so schwingend wie zuvor. Kerzengerade.
Die Tür klappte zu.
Auch das war also abgehakt!
Ron holte den Plastikbeutel mit den Perlen aus dem Panzerschrank der Suite, dann begann er seine Dollars zu zählen. Was ihm noch geblieben war, waren genau siebenundsechzig Dollar und fünfundsiebzig Cents.
Es wurde Zeit, etwas zu unternehmen.
Der alte Ron, der Pokerspieler und Hasardeur, war am Zug. Der aber machte es sich einfach, nahm das Telefonbuch, schlug das Branchenverzeichnis auf, fand unter ›Commerce de Perles‹ gleich zwei ganze Spalten und drückte seinen zersplitterten Zeigefingernagel auf einen der Namen.
»Charles Boucher«, stand da. ›Rue de Liberté II‹. Ron wählte, setzte erst einer arroganten Sekretärin, dann einer ungläubigen Männerstimme sein Anliegen auseinander: Er habe hundertzweiundsiebzig Perlen anzubieten. Keine Zuchtperlen – echte!
Wenige Stunden später machte Ron Edwards, ohne das Tahiti-Beach verlassen oder nur den prächtigen Swimmingpool aufgesucht zu haben, das Geschäft seines Lebens: Hundertzweiundsiebzig Perlen, darunter drei wahre Königsperlen, zum Preis von zweihundertsechstausendvierhundert Dollar.
Das war zwar nicht ganz die Viertelmillion, die er angesetzt hatte, aber immerhin. Bei Geschäften muß man schließlich auch ein paar Abstriche in Kauf nehmen. Was aber am wichtigsten war: Dieser kleine, rundliche Franzose mit dem freundlichen Rotweintrinker-Gesicht, der da nach einer langen, harten Verhandlung endlich den Füller zückte, um seinen Namen unter den Scheck zu schreiben, gefiel ihm.
Charles Boucher ist in Ordnung, sagte ihm sein Instinkt, nicht nur seriös ist er und auf seinem Gebiet ein mit allen Wassern gewaschener Profi, er ist auch Mensch. Und damit genau der Richtige für die Abschlüsse, die du in Zukunft mit ihm tätigen wirst. Jawohl, in Zukunft! Schließlich warten in der Bucht von Tonu'Ata noch viele, viele Perlen darauf, entdeckt zu werden …
An diesem Nachmittag blieb Ron Edwards im Hotel. Er nahm einen Block mit Hotelpapier, schaltete zum ersten Mal die Klimaanlage ein, denn was er jetzt brauchte, war ein kühler Kopf, und begann zu schreiben.
Durch eines der großen Fenster sah er drüben am Flughafen die Maschinen einschweben, Flugzeuge aus allen Teilen der Welt. Maschinen der Air France, der UTA-French Airlines, der Air New Zealand-Linie, der Hawaiian-Airlines, der Quantas – und all die bunten Zeichen auf den Seitenleitwerken schienen zu sagen: Was ist eigentlich mit dir passiert? Wieso kommst du nicht mit? Südsee? Na und? Glaubst du im Ernst, dich absetzen zu können? Die Welt ist heute nichts anderes als ein Dorf, mein Lieber. Und auch deine komische Insel gehört dazu …
***
›Stromgenerator‹, hatte Ron geschrieben, ›Batterien, Kabelrollen, Motorwerkzeuge, moderne Taucherausrüstung, Kompressoraggregate, TV-Funkgerät, Satellitentelefon, Nähmaschine, stromsparende Leuchten, Medikamente, medizinische Instrumente, Bücher, Scheren, Messer, Saatgut‹.
Die Liste der Dinge, die er nach Tonu'Ata bringen wollte, wurde länger und länger. Aber als er sich alles so besah, was da stand, und als er an die Tonnen Treibstoff dachte, die dazukommen würden, wurde ihm eines klar: Das Schiff, das den ganzen Krempel zu transportieren hatte, mußte ziemlich groß sein. Und auch dann noch würde er es bis zur Wasserlinie
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