Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
Wort, um nicht versehentlich Blicke auf sich zu lenken.
Niemand schien sie zu beachten. In der riesigen Bahnhofshalle drehte Lea sich um und wollte einen Blick auf die Anzeigetafel mit den Abfahrtszeiten der nächsten Züge werfen. Aber ihre Augen blieben an Bülent hängen. Ungläubig setzte sie die Sonnenbrille ab. Das konnte nicht wahr sein, oder? Bitte nicht!
„Bist du verrückt?“, zischte er, „sofort das Ding wieder auf!“
„Bülent, wo ist Lucy?“
„Wo? Na, hier, direkt hinter---“ Er wandte sich um und verschluckte sich an seinem letzten Wort. „Holy Shit! Eben war sie noch da!“
Panisch blickten sie sich in alle Richtungen um. Menschenmassen über Massen, wie sollte man da eine 1,63 Meter große Sechzehnjährige ausmachen?
„Wann hast du dich das letzte Mal nach ihr umgesehen, Bülent?“
„Wann? Na, äh, nicht so oft, ich wollte ja nicht nervös aussehen ... draußen auf dem Platz, glaube ich.“
Lea rannte los, stieß eilige Reisende zur Seite, die ihren Weg kreuzten, ignorierte die Verwünschungen, die auf dem Fuße folgten, und kämpfte sich durch das Gewühl in Richtung Ausgang.
Bülent lief hinterher. „Sie kann nicht weit sein“, rief er, „vielleicht ist sie nur gestolpert.“
„Und blieb einfach liegen? Sonst müssten wir sie ja mittlerweile gesehen haben.“
„Aber sie kann sich doch nicht einfach in Luft auflösen! Wäre mir neu, dass David Copperfield jetzt in Frankfurt am Bahnhof wohnt.“
„Nein“, keuchte Lea und blieb stehen. Der Hauptausgang in Richtung Kaiserstraße lag direkt vor ihr. Die Hundertschaft der Polizei hatte sich inzwischen an der Straße in Stellung gebracht und erwartete offenbar die – nun, was auch immer es war, das so massiv bedroht oder beschützt werden musste. Nur von Lucy war weit und breit nichts zu sehen. „Nein, das nicht. Und deswegen muss das bedeuten ...“
„... dass sie uns sogar noch dichter auf den Fersen sind, als wir dachten?“
Sie nickte.
„Was sollen wir jetzt tun? Ohne sie fahren?“
„Bülent, wenn du nicht gerade annimmst, sie sei nur mal kurz pinkeln gegangen, dann müssen wir davon ausgehen, dass die sie in ihrer Gewalt haben!“
„Aber wie sollen wir sie finden? Die könnten überall sein!“
„Wir müssen es versuchen. Los, in den U-Bahn-Schacht!“
„Soll ich nicht lieber solange schon mal bei der S-Bahn nachsehen?“
„Hallo!? Da legst du so großen Wert darauf, nicht der Depp auf dem Dachboden zu sein, und dann schiebst du selbst den nächsten Klassiker nach? 'Sie könnten überall sein. Wir sollten uns aufteilen!' Nach solchen Sätzen wird man regelmäßig einzeln abgemurkst! Wenn wir überhaupt eine Chance gegen sie haben, dann nur gemeinsam.“
„Du bist doch immer noch dieselbe blöde Klugsch-... ach, aber ich will verdammt sein, wenn du diesmal nicht recht hast.“
„Dann los!“
Sie hasteten etwa zehn Meter zurück, wo eine Rolltreppe in Richtung unterirdischer Einkaufspassagen und des U-Bahnhofs führte. Hier unten war weniger Gedränge, aber Lucy sahen sie nirgends. Einmal hatte Lea das Gefühl, sie sei gerade hinter einem türkischen Lebensmittelladen um die Ecke gebogen, aber als sie hinterherrannte, fand sie nichts mehr vor außer verschmutzten Wänden und einer Urinwolke.
„Zur S-Bahn“, rief sie Bülent zu.
„Dann fährt uns der Zug weg, Lea!“
„Sie könnten sie töten! Wir können sie jetzt nicht hängenlassen!“
Atemlos eilten sie zurück in die Bahnhofshalle, wo die Rolltreppe zur S-Bahn hinabführte. Vorbei an defekten Kartenautomaten und glücklosen Bettlern, gelangten sie zu einem der Gleise. Momentan stand keine S-Bahn hier, sodass sie auch die anderen Plattformen einsehen konnten.
Keine Lucy.
Rastlos hetzten sie wieder zurück zu den Fernzügen. Lea warf einen Blick auf die Tafel. Ihr Zug stand nicht mehr darauf. Um Fassung ebenso wie um Atem ringend, kniete sie sich auf den Betonboden.
„Vorbei“, flüsterte sie.
„Hab ich doch gesagt. Und Lucy hat uns das auch nicht zurückgebracht. Jetzt sitzen wir hier wie ...“
" He! Heee! " Lucys Stimme! Die beiden schreckten hoch. Vom Südausgang her – an der Bahnhofsmission vorbei – kam sie gerannt. „Ich bin hier! Ich bin hier!“
„Lucy!“ Lea lief ihr entgegen und umarmte sie erleichtert. „Ich hab schon gedacht, du seist ...“
„Ich doch nicht“, lachte ihre Freundin, „obwohl diesmal nicht viel gefehlt hat.“
„Was ist passiert?“
„Plötzlich haben mich vier kräftige Arme nach
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