Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
Das Lachen ist der Lebenskraft zuträglich, denn es fördert die Verdauung, sagt Kant.“
„Sie wissen genau, dass meine Tochter seit Silvester verschwunden ist. Erwarten Sie von mir, dass ich lache?“
„Ist sie das? Ah ja, da war etwas, richtig. Dieser unglückliche junge Mann, der den Tod auf einer Baustelle fand. Und im selben Moment verschwindet Ihre Tochter. Wenig später stirbt eine Frankfurter Nonne auf die gleiche bizarre Weise. Und Ihre Tochter ist immer noch verschwunden.“
„Worauf wollen Sie hinaus? Sie können doch nicht behaupten, dass meine Tochter eine Mörderin ist!“
„Ich will auf gar nichts hinaus. Obwohl – einen Gedanken hatte ich doch.“
Er schwieg und wartete auf ihre Nachfrage. Als diese ausblieb, fuhr er fort: „Wenn die kleine Lea jetzt in diese unglückselige Angelegenheit verwickelt ist – vielleicht ganz gegen ihren Willen – was wäre dann das Naheliegendste, das eine liebende Mutter tun könnte?“
„So gut es geht mit der Polizei zu kooperieren, damit die Unschuld der Tochter schnell bewiesen werden kann?“
„Vernünftig gedacht, Frau Leonardt. Allerdings liegt es in der menschlichen Natur, vernünftig zu denken und unvernünftig zu handeln, sagt Anatole France. Sehen Sie, das Problem ist, wenn die liebende Mutter so gut mit der Polizei kooperiert – warum kriegt sie dann den Schock ihres Lebens, als sie unerwartet den lieben Herrn Hauptkommissar in Frankfurt trifft? Warum sieht sie aus wie ein beim Ladendiebstahl ertapptes Schulkind, das vom Detektiv an den Ohren ins Hinterzimmer geschleift wird?“
„Sagen Sie's mir.“
„Wunderbar. Herrlich. Ein Satz wie aus dem ZDF-Freitagskrimi. Na schön, ich werde es Ihnen sagen. Weil manche Mütter es eben nicht für das Naheliegendste halten, mit der Polizei zu kooperieren, sondern denken, sie täten ihren Töchtern einen Gefallen, wenn sie sie von der Polizei fernhalten. Weil das mit dem Unschuldsbeweis vielleicht doch nicht so sicher ist wie gedacht. Weil manche Mütter in dieser Situation vielleicht sogar ihren Töchtern nahelegen würden, sich eine Weile aus der Schusslinie zu halten, etwa in Frankfurt, wo man viel besser untertauchen kann als in den – um in der Metapher zu bleiben – knöcheltiefen Wassern von Eschersbach. Weil manche Mütter sich in heimlichen nächtlichen Treffen vom Wohlergehen der Töchter überzeugen würden. Und weil ebendiese Mütter den Schock ihres Lebens bekämen, wenn sie dann eine Autopanne hätten und ganz gegen ihre Pläne bei Anbruch des Tages immer noch in Frankfurt weilten, wo sie prompt dem Herrn Hauptkommissar begegneten.“
Valeska schwieg.
„Sehen Sie, Frau Leonardt, Sie müssen aufhören, mich als den Schurken zu betrachten, sonst kommen wir nicht weiter. Der Polizist ist selten der strahlende Held einer Geschichte, aber ebenso selten ist er der abgrundtief Böse. Betrachten Sie diejenigen als die Bösen, von denen Ihre Tochter in den ganzen Schlamassel hineingezogen wurde. Und helfen Sie mir, Lea da wieder rauszuholen.
Ich habe in den vergangenen Tagen eng mit meinen Frankfurter Kollegen zusammengearbeitet. Und ich habe, das sage ich Ihnen ehrlich, in dieser ganzen Zeit nicht die leiseste Spur gefunden, welche abartige Gruppierung für diese beiden Morde verantwortlich sein könnte. Die Einzige, die uns helfen kann, die Sache zu stoppen, bevor der nächste Mord geschieht, ist Ihre Tochter, Frau Leonardt.“
Er lehnte sich zurück, zündete sich eine Zigarette an und ließ seine Worte wirken.
Dann schob er beiläufig den letzten, seinen höchsten Trumpf nach.
„Überdies“, sagte er ruhig und blies blaugrauen Rauch durch seine Nasenlöcher, „werden wir, wie die gute Frau Dittmann mir eben mitteilte, den Aufenthaltsort Ihrer Tochter in Kürze genauestens bestimmt haben. Sie können uns also nicht aufhalten, Frau Leonardt, sondern schlimmstenfalls ein bisschen ärgern. Es ist die Frage, ob Sie das für ratsam halten.“
75. Kapitel
Lea sah sich bei den Zapfsäulen um. Ein vollbesetzter Hippie-Bus, ein Motorrad, ein Smart. Keine guten Kandidaten.
„Wir gehen zum Parkplatz“, teilte sie den anderen mit, „Bülent, du bleibst hier und beobachtest uns.“
„Hast du Angst, du wirst ausgeraubt?“
„Nein, ich habe Angst, ich werde nicht mitgenommen, wenn der Fahrer dich sofort sieht.“
„Hör mal, du kannst mit den Sticheleien ruhig mal aufhören. Wir sitzen jetzt alle im selben Boot!“
„Eben. Du bist noch nie getrampt, richtig? Weißt du,
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