Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
Schläuchen.
„Wie ich dachte“, stellte er fest. „Jemand hat uns das Wasser abgelassen. Dadurch ist der Motor überhitzt. Das Auto können wir erst mal vergessen.“
„Das ist der worst case “, sagte Lucy leise.
„Nein“, widersprach Lea, „das ist schlimmer. Nicht nur, dass jemand versucht zu verhindern, dass wir nach Prag gelangen. Es muss auch noch jemand sein, der wusste, dass Ma uns heute hierher fahren wollte. Und das heißt, sie sind uns so dicht auf den Fersen, dass ich den Atem im Nacken spüre!“
„Vampire atmen nicht“, wandte Bülent ein.
„Das einzig Ungereimte ist“, fuhr Lea fort, ohne auf ihn zu reagieren, „wenn Palazuelo oder Elsa hier sind und gegen uns vorgehen wollen, warum bringen sie uns nicht einfach um? Warum dieser umständliche Sabotageakt? Als wir losfuhren, war es noch dunkel. Anstatt das Auto anzubohren, hätten sie genauso gut uns anbohren können.“
„Vielleicht hat es gar nichts mit Prag zu tun. Nur Vandalismus oder so.“
„Oder sie wussten nicht, dass ihr in der Kirche wart“, fügte Lucy hinzu, „wo du wohnst, wissen sie aber sehr wohl.“
Bülent klatschte wütend in die Hände. „Jedenfalls haben wir keine Zeit, das auszudiskutieren. Wir müssen nach Prag, und zwar sofort. Dann nehmen wir eben doch den Zug. Frau Leonardt, haben Sie eine Sonnenbrille für Lea? Wir gehen einfach ganz unauffällig da durch, und Ruh is.“
„Ich selbst habe keine, Bülent, aber mit etwas Glück ist die von Hans noch im Handschuhfach. Er war in den letzten Tagen seines Menschseins so lichtempfindlich. Als seine Verwandlung beendet war, sah er die Sonne ohnehin nicht mehr ... ja, hier ist sie.“ Sie reichte Lea die Ray Ban ihres Vaters. „Aber mit deiner Frisur müssen wir noch irgendwas machen, der Lockenkopf ist doch recht auffällig.“
„Wir nehmen das Scheibenwaschwasser als Wet-Gel. Muss ja nicht lange halten.“
„Aber zuerst schieben wir das Auto hier weg, wir stehen mitten auf der Straße.“
Als das Auto in einer Nebenstraße untergebracht und Leas Schopf mit einem Haargummi und einer größeren Wassermenge gezähmt war, gab Valeska allen dreien einen Kuss auf die Wange und schickte sie los.
„Und trödelt nicht“, ermahnte sie die Gruppe noch, „der Zug geht in zehn Minuten. Die ganze Geschichte mit Polizei und Panne hat uns ganz schön aufgehalten.“
„Zehn Minuten reichen völlig, Ma. Früher dürften wir sowieso nicht dorthin, schließlich will ich nicht ewig auf dem Bahnhof herumstehen inmitten dieser hübschen Uniformen.“
Sie trennten sich, und Valeska blieb allein zurück. Sie schickte ein stummes Gebet zum Himmel, und dann setzte sie sich auf den Fahrersitz des kaputten Ford und wartete. Sie hätte eine Werkstatt anrufen können, die Versicherung hätte vielleicht einen Mietwagen spendiert (allerdings erst ab fünfzig Kilometer Entfernung vom Wohnort, sie wusste nicht genau, ob das reichte). Aber sie wollte ihre Anwesenheit hier und heute nicht an die große Glocke hängen. Dieser Ritterbusch würde sonst seltsame Fragen stellen. Nein, sie würde ein Weilchen warten und dann mit der S-Bahn nach Hause fahren. Morgen konnte sie dann ihr Auto abschleppen lassen.
Sie sah auf die Uhr. Zehn Minuten waren vorbei. Wenn der Zug keine Verspätung hatte, fuhr er jetzt los. Ob sie darin saßen? Sie konnte es nur hoffen und ihnen alle Daumen drücken. Es gab so viel, das schiefgehen konnte – obwohl es noch nichts war im Vergleich zu dem, was alles schiefgehen konnte, wenn sie erst dort waren.
Während sie noch grübelte und sinnierte, klopfte es plötzlich von draußen an die Scheibe. Sie kurbelte automatisch das Fenster ein Stück herunter, bevor sie in das Gesicht blickte, das sich zu ihr herab beugte, und erschrocken zusammenzuckte.
„Was ist Ihnen denn widerfahren, Frau Leonardt? Sie sehen ja richtig verängstigt aus. Ja ja, Furcht besiegt mehr Menschen als irgendetwas anderes auf der Welt. Sagt Ralph Waldo Emerson.“
73. Kapitel
Lea schlenderte betont lässig über den von Polizisten gesäumten Platz, aber ihr Herz hämmerte wie eine Techno-Disco mit einem DJ auf Ecstasy. Es war ein grau verhangener, diesiger Tag. Eigentlich das letzte Wetter, bei dem man eine Sonnenbrille aufsetzte. Aber ihr Gesicht zu zeigen war noch schlechter. Sie konnte nur hoffen, als jugendliche Spinnerin durchzugehen.
Hinter ihr folgten im Gänsemarsch Bülent und dann Lucy, die ebenfalls krampfhaft versuchten, entspannt auszusehen. Sie sprachen kein
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