Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
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Wortlos zog Jörg ein Bündel Geldscheine aus der seitlichen Tasche seiner Cargo-Hose, Scheine mit Bildern darauf, die Lea nur aus Erzählungen und Jet-Set-Fernsehserien kannte, und drückte es ihr in die Hand.
„Bis Ende des Jahres gehört das dir. Wenn das Jahr rum ist, habe ich alles wieder. Mit Zinsen. Alles andere ist mir egal.“
Sie nahm die Scheine ehrfürchtig entgegen. Dies war ihr Schlüssel zum Glück, ihr Eintrittsgeld in eine wunderbare Welt, ihr eigener High-End-PC.
Zufrieden verließ sie die Düstergasse, um den nächsten Schulbus abzuwarten, der die Nachmittagsschüler nach Hause bringen würde. Wenn niemand ihr helfen wollte, half sie sich eben selbst. Es dauerte noch lange, bis das Jahr zu Ende ging, bis dahin hätte sie das Geld längst wieder beschafft. Aber den Computer brauchte sie jetzt. In nicht mal einem Monat begann die Projektwoche, und sie wusste schon sehr sicher, an welchem Projekt sie dann teilnehmen wollte.
Und selbst wenn es ein paar Tage länger dauern sollte, bis sie ihm sein Geld gab, was konnte er schon tun? Er hatte nicht mal eine Quittung von ihr.
An diesem Abend fiel sie lächelnd ins Bett und fand einen erholsamen, traumlosen Schlaf.
6. Kapitel
Julio Palazuelo schritt die endlosen Gänge der herrschaftlichen Villa ab und dachte an den Taxifahrer, der ihn hierher gebracht hatte. Antonin Panenka, ein Familienvater mit zwei süßen Töchtern im Jugendalter, deren Fotos in seinem Portemonnaie steckten. Und mit außerordentlich schmackhaftem Blut. Er war nicht mehr der Jüngste gewesen, aber recht sportlich, hatte früher mit einigem Erfolg Fußball gespielt beim CKD Praha, dem späteren FC Bohemians Praha. Palazuelo mochte sportliche Menschen. Es verlieh ihrem Lebenssaft ein angenehm nussiges Bouquet.
Es war seine erste Mahlzeit seit einer Woche gewesen, seit seiner Reise nach Deutschland, wo Doña Elisa ihm verboten hatte zu jagen. Um kein Aufsehen zu erregen. Er lächelte, und seine raubtierhaften Eckzähne glänzten im Licht der vielen Hundert Kerzen, die Doña Elisa jede Nacht von ihren Bediensteten anzünden und immer wieder erneuern ließ. Sie hatte sich nie an elektrisches Licht gewöhnen können, dachte er amüsiert; nach so vielen Jahren war die Existenz einer Glühbirne immer noch eine Art unheimlicher Zauber für sie. Und die Sterblichen, sie gingen so selbstverständlich damit um und hielten stattdessen die Existenz Doña Elisas, wie auch seine eigene und die all der anderen seiner Art, für unheimlichen Zauber.
Nein, das war nicht mehr ganz richtig. Heutzutage hielten die meisten Menschen die Existenz von Vampiren nicht für Zauber, sondern für Ammenmärchen. Was Palazuelo sehr angenehm fand. Der Mob, der mit Fackeln und Mistgabeln den Hügel hinauf zog, um das Schloss in Brand zu stecken, war im 21. Jahrhundert jedenfalls keine akute Bedrohung mehr.
Andere Unannehmlichkeiten waren an seine Stelle getreten. Polizeiliche Ermittlungsmethoden, die das unerkannte Agieren auf Dauer durchaus erschwert hatten. Globale Vernetzungen und Datenkanäle, die einmal dazu führen mochten, dass ein unterbeschäftigter Beamter die Ähnlichkeit der 37 Fahndungsfotos verschiedenster Staaten bemerken würde, selbst wenn das von automatischen Kameras aufgezeichnete Gesicht jedes Mal im Schatten einer weiten Kapuze lag. Und dann könnte selbst in diesem unbescholtenen Anwesen in der Prager Altstadt die Türklingel tagsüber läuten, und einige Uniformierte könnten Einlass begehren. Ihn sich vielleicht sogar gewaltsam verschaffen. Damit es dazu nicht kam, hatte Doña Elisa ihn, Palazuelo, nach Deutschland geschickt.
Vor einer großen, prächtig verzierten Tür hielt er inne. Er strich seinen weiten Mantel glatt, legte die Kapuze ordentlich zurecht und trat den verkrusteten Schlamm von seinen schweren Armeestiefel ab. Dann klopfte er an.
„Komm herein“, rief eine weibliche Stimme.
Er öffnete die Tür. Ihm gegenüber saß an einem alten Sekretär eine kleine Frau mit langem, kastanienbraunem Haar, die ein einfaches, grobes Leinengewand trug. Die Kleidung wollte nicht recht zu dem edlen Raum passen, in dem sie sich aufhielt – fast schon ein Saal, der Boden aus verschiedenen italienischen Marmor-Sorten zusammengestellt, die Decke in eine domgleiche Kuppel mündend. Stuckdekorationen und Fresken mit biblischen Szenen zierten die Wände. „Guten Abend, Doña Elisa“, grüßte er mit leichter Verbeugung.
„Mein Julio“,
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