Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
bei euren Recherchen nicht selbst festgestellt, dass 99 Prozent aller Veröffentlichungen über Vampire schlichtes Entertainment sind? Und von diesem einen Prozent habt ihr euch gerade mal auf eine einzige Autorin gestützt ...“
„... die ja auch recht hatte mit ihrem Ameisensaft“, warf Bülent ein.
„Natürlich hatte sie recht! Aber sie wird nicht der einzige Mensch auf der Welt sein, der seine Begegnungen mit den Kindern der Nacht schriftlich festhielt. Und irgendwo dort draußen mag es einen geben, dessen Schriften mir einen Hinweis geben können ... wie man wieder Mensch wird.“
Lea lehnte ihren Kopf an seine Schulter und umfasste ihn mit ihren endlich wieder beweglichen Armen.
„Du bist menschlicher als viele Menschen, denen ich begegnet bin“, sagte sie. „Wenn es einer schaffen kann, dann du!“ Sie schluckte und fuhr leise fort: „Es tut mir leid, dass ich dir so lange nicht vertrauen konnte.“
„Nichts muss dir leid tun, Lea“, erwiderte er, indem er sanft eine Träne aus ihrem Augenwinkel wischte, „ich verdanke dir mein Leben. Dir und Bülent und natürlich auch Les. Ihr seid meine Familie.“
„Ich liebe dich, Papa.“
„Ich dich auch, Lea. Ich werde dich ewig lieben!“
„Ewig ist ein großes Wort für deine Art, Pa.“
„Ich weiß“, sagte er lächelnd.
„Sorry“, unterbrach Bülent ungehalten, „aber ich muss jetzt langsam wieder los. Wenn ihr eure Liebesschwüre mal für fünf Sekunden unterbrecht, sag ich eben tschüss, und---“
„Nichts da, Bülent! Lea hat seit Wochen auf deinen Besuch gewartet. Ich bin es, der sich verabschieden wird. Macht's gut, ihr zwei Turteltauben!“
„He! Wir sind keine ...“
Aber Hans war verschwunden, und Bülent brach den Satz unvollendet ab.
Lea sah verschmitzt zu ihm hinüber.
„Sind wir doch nicht, oder!?“, rief er aus.
„Nein“, bestätigte sie, „sind wir nicht.“
Sie warf den Kopf in den Nacken und verlor sich im Anblick des Sternenhimmels. Die Milchstraße zog sich als schimmerndes weißes Band über die dunkle Kuppel. Schwan und Leier erzählten Legenden von Liebe und Musik, und der majestätische Löwe, der stets um diese Jahreszeit den Abendhimmel betrat, schien nun endgültig den Frühling einzuläuten.
„Aber was nicht ist, kann ja noch werden“, flüsterte sie, und das Lächeln verblieb noch lange Zeit auf ihren Lippen, während das Licht des aufgehenden Mondes die beiden mit einem milden silbrigen Schimmer überzog.
Epilog
Das Wesen gelangte im selben Moment auf das Grundstück, als die letzten Reste einer ohnehin schmalen Mondsichel hinter schwarzen Wolkenwänden verschwanden. Mühelos hatte es den zwei Meter fünfzig hohen Holzzaun erklommen und war in weitem Bogen in den Vorgarten gesprungen, wo es jetzt in der Dunkelheit kauerte.
Mit wenigen schnellen Schritten legte es die letzten zehn Meter zurück und stand nun direkt vor der Tür.
Aus den Schatten seines weiten, umhangartigen Kleidungsstücks holte das Wesen einen mächtigen Schlüsselbund hervor. Nacheinander steckte es die metallenen Stifte in den Schlosszylinder, und beim vierten Versuch sprang die Tür auf.
Julio Palazuelo ging hinein und schritt die endlosen Gänge der herrschaftlichen Villa ab, bis er vor einer großen, prächtig verzierten Tür innehielt.
Er strich seinen weiten Mantel glatt, legte die Kapuze ordentlich zurecht und trat den verkrusteten Schlamm von seinen schweren Armeestiefeln ab. Dann klopfte er an.
„Komm herein“, rief eine weibliche Stimme.
Er öffnete die Tür. Ihm gegenüber saß an einem modernen Schreibtisch eine kleine Frau mit langem, kastanienbraunem Haar. Sie sprach mit einem kleinen untersetzten Mann, der bei Palazuelos Anblick nervös an seinem Schnurrbart zupfte.
„Guten Abend, Doña Elisa“, grüßte er mit leichter Verbeugung. „Bevor Ihr den Vertrag unterzeichnet: Die Einbruchssicherheit dieses Gebäudes lässt zu wünschen übrig!“
„Julio“, erwiderte sie. „Du bist gekommen. Vielen Dank für deinen Hinweis, wir werden sofort entsprechende Baumaßnahmen in Auftrag geben. Warte nun einen Augenblick!“
Zu dem anderen Mann gewandt, fuhr sie fort: „Ich kaufe es. Compraré esta casa.“
„Bien, Señora de la Estancia“, freute er sich, „muy bien. Usted no se arrepentirá.“
„¿Puedo permanecer aquí ya mismo?“ Sie blickte ihn auffordernd an. „Schon ab heute Nacht, wenn es sich einrichten lässt.“
„Esto es muy inusual“, wunderte er sich, fuhr aber sogleich
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