Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
gibt noch nicht mal eine Tatwaffe. Es gibt kein Motiv. Und es gibt erst recht keinen Satanistenzirkel in Eschersbach, dessen Existenz für die Annahmen dieses wirren Kommissars ja nötig wäre.“
„Es mag sein, dass es nicht für eine Mordanklage reicht. Aber wie ist es mit Beihilfe zu einer gewaltsamen Tötung? Ich bin keine Juristin, Hans, aber ich bin auch nicht dumm. Ich weiß, dass ein Mord schwer zu beweisen ist, weil man ein niederes Motiv zu belegen hat, Habgier oder so. Es gibt aber auch andere Arten des Tötens, die kein Mord sind. Und weißt du was, Hans? Sie sind trotzdem verboten. Und es ist sogar verboten, dabei zu stehen und nichts zu tun, während jemand getötet wird. Zumindest das werden sie Lea anhängen.“
„Aber dafür kommt man doch mit fünfzehn Jahren nicht ins Gefängnis! Das ist unterlassene Hilfeleistung, oder? Wenn sie Pech hat, muss sie ein paar Stunden beim Roten Kreuz arbeiten, und die Sache ist vergessen.“
„Ist sie das? Wie kannst du dir so sicher sein? Was, wenn man mich für unfähig befindet, meine Tochter richtig zu erziehen? Was, wenn man sie mir wegnimmt? Wenn sie in ein Heim kommt? Wäre das besser als Gefängnis? Wie würde sie aus einer dieser beiden Institutionen wieder herauskommen? Als unsere kleine, aufgeweckte, liebenswerte Lea? Oder als verbitterte, gebrochene Frau, die eine Menge über Drogenhandel und Erpressung gelernt hat und darüber, dass es sogar der eigene Vater sein kann, der dein Leben zerbricht und dich verrät, wenn du ihn am meisten brauchst?“
Sie hatte sich in Rage geredet und lief nun unruhig im Zimmer auf und ab. „Du redest davon, dass du kein Monster sein willst, Hans. Du willst noch mein Mann sein, ihr Vater willst du sein, menschlich willst du dich verhalten. Ich selbst habe Lea versucht zu erklären, dass du in meinen Augen ein Mensch bist, weil du wie einer denkst und fühlst, egal ob du nun das Sonnenlicht verträgst oder nicht. Versuchst du mir jetzt zu sagen, dass ich mich geirrt habe? Dass du deine moralischen Maßstäbe gegen ein Paar lange Eckzähne eingetauscht hast? Lea ist dort draußen irgendwo, geflohen, weil sie Angst vor dir hat. Es gibt nur eine Person, die ihr beweisen kann, dass diese Angst unbegründet ist. Das bist du selbst.“
„Vielleicht ist sie nicht so unbegründet ...“
„Lea sucht ihren Vater, Hans. Sie sucht dich, auch wenn sie vor dir wegläuft. Wenn wir sie überhaupt jemals wiedersehen, dann musst du sie auch davon überzeugen, dass sie sich in dir getäuscht hat. Und ich mich nicht.“
„Auch wenn das meinen sicheren Tod bedeutet?“
Valeska fasste sich mit beiden Händen an die Schläfen. „Ich weiß es nicht, Hans. Ich weiß es nicht. Du musst ... du musst tun, was du für richtig hältst. Ich kann dir diese Entscheidung nicht abnehmen. Niemand kann das. Geh hinaus in die Nacht und denke nach. Ich kann nicht mehr nachdenken. Ich habe keine Kraft mehr. Das Leben scheint die schlimmstmögliche Wendung genommen zu haben. Eine erdachte Geschichte wäre nun zu Ende gedacht. Nur das Leben muss grausamerweise immer weitergehen ...“
Hans ging zu ihr und nahm ihre Hand in die seine.
Dann gab er ihr einen flüchtigen Kuss auf den Handrücken. Das hatte er bei ihrem allerersten Rendezvous getan, und der Schmerz dieser wundervollen Erinnerung drohte Valeska zu ersticken.
„Ich werde tun, was ich für richtig halte.“
Mit diesen Worten ging er zur Tür.
40. Kapitel
Julio Palazuelo betrat das Hotelzimmer mit einem großen, farbenfrohen orientalischen Teppich unter dem rechten Arm, den er in dem türkischen Laden neben dem Deutschen Haus gefunden hatte, und seiner Notebook-Tasche in der Linken.
Er legte den zusammengebundenen Teppich auf den Boden und holte den kleinen tragbaren Computer aus seinem ledernen Zuhause.
Als das System hochgefahren war, fand es automatisch den WLAN-Hotspot des Hotels und verband sich direkt mit dem Internet.
Palazuelo startete das E-Mail-Programm und sah den Posteingang durch. Wie erwartet hatte er Nachricht von Doña Elisa.
Natürlich schrieb sie ihre Mails nicht selbst. Sie nannte sie noch nicht einmal E-Mail, sondern sprach von Depeschen und Briefen, als ob sie noch mit der Postkutsche befördert würden. Ihre Altertümlichkeit war ihre große Schwäche, und er fragte sich nicht zum ersten Mal, ob diese Schwäche dereinst ihr Verderben sein würde.
Andererseits war ihr für das Alarmsystem keine Idee modern und sicher genug. Aber das kam von ihrer
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